Literaturbetriebsposse : Ähnlichkeiten mit Lebenden sind beabsichtigt
- -Aktualisiert am

Annette Pehnts „Beitrag zur Trivialliteratur” birgt einige satirische Sprengkraft Bild: Helmut Fricke
Annette Pehnts vergnüglicher Schlüsselroman über eine Freiburger Hochschule sollte zunächst nicht erscheinen. Dann fand „Hier kommt Michelle“ doch noch den passenden Verlag - und wurde zu einem Überraschungserfolg.
Über dieses Buch kann man drei Geschichten erzählen. Die erste spielt in Freiburg, wo die Autorin Annette Pehnt nicht nur lebt, sondern als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule, die Lehrer ausbildet, markante Blicke auf studentische Frischlinge und den Unibetrieb wirft. Der tägliche Umgang hat sie zu einem kurzweiligen kleinen Roman über die ersten Semester einer solchen ehrgeizigen Studentin inspiriert, der eindeutig ironische Untertöne hat: „Hier kommt Michelle“. Die Universität ist freilich ein hermetischer Raum, aus Yuccapalmen, Antragsstellern, frustrierten Dozenten, die, wo immer man sie trifft, gerne über die all zu frontal beschulte, neue, naive Generation jammern, die keine eigenen Fragen stellt, sondern nur Aufträge ausführt – das Gegenteil wissenschaftlichen Arbeitens. Ein Terrain also, über das man sich wunderbar lustig machen kann.
Längst gibt es dafür eine eigene Gattung, den Campusroman, der durchaus kabarettreife Züge trägt, Stegreiftheater sozusagen, das von der realen Bühne des Lebens in Literatur zu verwandeln keine ganz leichte Aufgabe ist. Annette Pehnt – das macht sie zu einer der interessantesten Gegenwartsautorinnen – hatte schon immer auch Sinn für feinen, nie grobschlächtigen Humor, für die dem Alltag innewohnende Komik, die zugleich im Scheitern tragische Züge erhält. Im Grunde also ist sie eine ernsthafte, gut zu lesende, weil nie künstlich schwerfällige Autorin. Jetzt hat sie ein unterhaltsames Buch geschrieben, das mit dem höchsten literarischen Anspruch bricht: „Mein Beitrag zur Trivialliteratur“, wird sie zitiert.
Umwege zur gebundenen Form
Und hier beginnt die zweite Geschichte. Sie spielt immer noch in Freiburg, aber im Untergrund. „Michelle“, als Manuskript, erschien nämlich vorerst nicht im Hausverlag der Autorin, dem Piper Verlag, der sonst immer sehr daran interessiert ist, alle Texte zusammenzuhalten. Thomas Tebbe, Programmleiter Belletristik und Annette Pehnts Lektor, nimmt seine Aufgabe ernst, worunter eben auch fällt, den Schützling vor einer Veröffentlichung zu bewahren, die dem „Autorenprofil“ schaden könnte. Er fand, der Text „besitze keine größere literarische Strahlkraft“, gibt aber zu, dass er sich beim Lesen amüsiert habe. „Michelle“ blieb vorerst in der Schublade. Weil sie aber mit ihrem „schmalen, flinken Körper“ nach einigen privat organisierten Lesungen die regionalen Herzen nicht nur betroffener Universitätsmitglieder erobert hatte, half Friedemann Holder: Er brachte das Druckwerk in seiner Reihe „Text Mission“ im Verlag der linksalternativen Freiburger Buchhandlung Jos Fritz unter, die immer schon – wie ihr Namensvetter – für die Unterdrückten kämpfte. Das war 2010.
Der Roman kommt im kecken Jackentaschenformat daher, mit einmontierten Fotos aus Michelles Alltag. Die Kapitel heißen „Module“, wie der Albtraum aller Studierenden – im Post-Bologna-Jargon bezeichnet man damit die einzelnen Bauteile, für die am Ende der Abschluss winkt; sie sind das Kapital. Inzwischen ist dem Werk ein kleiner Erfolg beschieden. Piper will nun nachrücken und als Geste an die Autorin „Michelle“ doch im Taschenbuch veröffentlichen – Broschur verzeiht mehr als das förmlich gebundene Buch.
Lehrjahre eines überbehüteten Kindes
Die dritte, vergnüglichste, etwas gemeine Geschichte spielt in „Sommerstadt“, unschwer als süddeutsche Unistadt zu erkennen. Hier plant Michelle ihr neues Leben. Sie ist eine reizende Abiturientin mit rascher Auffassungsgabe und ausgeprägter Schwäche für Katzen, bereit, einiges auszuprobieren, „schließlich hat sie sich in den letzten Jahren sehr am Riemen gerissen, und gelohnt hat es sich, das sagt jeder, und sie selbst sagt es sich voller Stolz“. Sie meldet sich überall an und will alles richtig machen, wenn man ihr nur sagt, was sie machen soll. Geschichte ist nicht ihr Ding. Sie glaubt sogar, wie viele ihrer Altersgenossen, „dass man die Gegenwart nur ohne Geschichte verstehen kann“. Eben noch im Abi geschwitzt, „den Teddy als Glücksbringer gegen den Multivitaminsaft gelehnt“, will sie vorankommen, Scheine machen, die Ernte ihrer strebsamen Schulzeit einfahren. Wie eindimensional sie gezeichnet ist!