Es ist einfach nie genug, nie
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1981 in Marokko geboren: Autorin Leïla Slimani Bild: Imago
Schon Leïla Slimanis erster Roman über eine Nymphomanin zeigt, wie großartig sie ist: Die Autorin überzeugt mit ihrem ganz eigenen Ton – schnell, direkt und ohne Umschweife.
Man muss sich, wenn man „All das zu verlieren“ zu lesen beginnt, den neuen Roman von Leïla Slimani, vor Augen halten, dass sie mit diesen ersten Sätzen die Literatur betrat. Denn in Wirklichkeit ist es ja gar nicht ein neuer Roman. Es ist ihr erster, der jetzt, da die marokkanisch-französische Schriftstellerin über die Grenzen Frankreichs hinaus berühmt geworden ist, nachgeliefert wird. Leïla Slimani war 2014 auf einmal da mit einer Sprache – klar, hart, fast atemlos und zugleich berührend –, mit der sie sofort einen völlig eigenen Ton gefunden hatte. Und sie fiel auf mit einem Sujet, das den Erwartungen zuwiderlief. Sie schrieb (denn darum geht es in „All das zu verlieren“) über eine sexsüchtige Frau. Eine, die gar nicht anders kann, als sich immerzu auszuliefern und zu verausgaben, sich zu verletzen und sich verletzen zu lassen, ruhelos, getrieben, die überall mit Männern schläft und immer härter, während sie zugleich ein bürgerliches Leben führt, in Paris als Journalistin arbeitet, mit einem Arzt verheiratet ist, der von ihrer Nymphomanie nichts weiß und mit ihr einen kleinen Jungen hat.
„Warum haben Sie Ihr erstes Buch über eine Nymphomanin geschrieben?“, wurde sie gefragt, als sie den renommierten Prix Goncourt für ihren Roman „Dann schlaf auch du“ schon gewonnen hatte. Und Leïla Slimani fragte zurück: „Warum nicht?“ Von Anfang an habe sie keine Lust gehabt auf „diese Idee der Frau als positive Figur“, sondern habe über eine Frau schreiben wollen, die feige sei und schwach, die lügt und zerstört. „Nur wusste ich lange nicht, was der Motor meiner Antiheldin sein könnte.“ Dann habe sie eine Dokumentation über Dominique Strauss-Kahn und dessen Sexsucht gesehen. „Und da wusste ich, dass ich über eine Frau schreiben will, die unter diesem Zwang leidet.“ Sie habe viel recherchiert, viele Berichte gelesen, mit Betroffenen in Foren gesprochen. Die Verzweiflung dieser Menschen sei entsetzlich. Sie verspürten ständig den Drang, von einem anderen Körper gepackt zu werden, müssten sich fühlen und empfänden dabei am Ende aber überhaupt nichts. „Es ist einfach nie genug, nie.“
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