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Ihr Erfolg ist kein Geheimnis : Das Prinzip Juli Zeh

  • -Aktualisiert am
Juli Zeh, 38, lebt mit Mann, Kind und Pferd im Havelland

Juli Zeh, 38, lebt mit Mann, Kind und Pferd im Havelland Bild: Andreas Pein

Sie ist ihre eigene Gruppe 47: Sie kennt sich mit fast allem aus und hat zu allem eine Meinung. Jetzt hat Juli Zeh einen Psychothriller geschrieben.

          6 Min.

          Sie kommt aus dem Herzen der alten Bundesrepublik. Bonn, Bad Godesberg, da ist Juli Zeh aufgewachsen, da ging sie zur Schule. Ihr Vater, Wolfgang Zeh, war Direktor beim Deutschen Bundestag, als der noch im alten Wasserwerk tagte und später dann für kurze Zeit in dem gläsern-hellen Behnisch-Bau. Heute repräsentiert Juli Zeh so etwas wie die Wiedergeburt des engagierten westdeutschen Schriftstellers, der das geistige Leben der Bundesrepublik so viele Jahre geprägt hat.

          Sie ist eine der international erfolgreichsten deutschen Autorinnen der Gegenwart, ihre Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt, sie schreibt im „Guardian“ über die Euro-Krise und die Zukunft der Bundeswehr, im „Focus“ über die Entmachtung der europäischen Parlamente, in der Sonntagszeitung. über das Urheberrecht, spricht im „Tagesspiegel“ über Gesundheitszwang, und in Fernsehtalkshows erklärt sie ihre Sympathien für die Piratenpartei. Sie ist engagiert, kennt sich aus, vertritt klare Positionen, ist niemals zynisch. Sie ist so etwas wie die neue Gruppe 47 als Ein-Personen-Betrieb.

          Der Mann ist sie

          Im Grunde ist Juli Zeh genau jene Schriftstellerin, nach der sich alle sehnen in Zeiten des Sachzwangterrors, der Alternativlosigkeit politischer Entscheidungen, der Undurchschaubarkeit von allem, der Ironie, der Egalheit und der literarischen Ich-Bücher. Als zum Beispiel vor elf Jahren alle eine klare Meinung zum Balkankrieg, aber keine Ahnung von der Lage in Bosnien hatten, fuhr Juli Zeh einfach hin, schaute, fragte und schrieb darüber. In ihrem Debütroman „Adler und Engel“ und dem darauf folgenden Reisetagebuch „Die Stille ist ein Geräusch“. Juli Zeh fragt viel. Manchen geht das auf die Nerven. Ihr macht das nichts aus. Über ihre Fahrt nach Bautzen im Jahr 2003, wo sie möglichst viel über die Lage der Sorben erfahren wollte, schrieb sie: „Unser beharrliches Fragen nach dem Befinden der jungen Generation, der Bedeutung der sorbischen Sprache im Alltag, erweckt bei den offiziellen Organen der Volksgruppe mehr Misstrauen als Wohlwollen.“

          Warum will sie das wissen? Sie interessierte sich eben, nach ihren Erfahrungen in Bosnien, für die Lage ethnischer Minderheiten in ihrem Heimatland. Außerdem hatte sie damals einen Freund, „F.“, der, wie die meisten Deutschen, von Sorben gar nichts wusste. „Damit F. etwas dazulernt, fahren wir jetzt dorthin.“ Und als dieser F. dann recht bald genug gesehen hat von diesen Sorben und nach Hause möchte, ruft sie - und schreibt es auf: „Hier geblieben!“

          Dass das schon mal klar ist: Was hier gelernt wird und wann wir damit fertig sind, bestimmt sie. Juli Zeh gibt gern die Richtung vor, in ihren Büchern sind die Ich-Erzähler und Protagonisten häufig männlich. „Ich identifiziere mich mit den Männerfiguren einfach mehr, so wie andere Autorinnen besser mit weiblichen Figuren klarkommen“, hat sie einmal gesagt. Und: „Ich glaube, wenn es ein weibliches und ein männliches Prinzip jenseits der organischen Geschlechtsmerkmale gäbe, wäre meins das männliche.“

          Zwei Diplome zu viel?

          Juli Zeh spricht auch sonst gern von Prinzipien. Wie wichtig für sie feste Standpunkte seien, eine Art Grundgesetz des eigenen Lebens, von dem aus man die Welt betrachtet und beurteilt: „Das gibt Halt, weil es die Entscheidungen in der Zukunft vorbereitet. Man weiß dann, was man in bestimmten Situationen tun und lassen würde, wenn man sich für ein Prinzip entschieden hat. Das sind Leute nicht mehr gewohnt.“ Ja, Häme und Spott gibt es für Juli Zeh seit sie Bücher veröffentlicht und Meinungen hat. Vor allem ältere männliche Kritiker finden ihre Welterklärungs-Pose lächerlich und unangemessen. Mich nervt eher ihre Humorlosigkeit. Und als sie 2005 mit dem „Konversationslexikon für Hunde“ dann ein Welterklärungsbuch aus der Sicht eines Hundes schrieb, dachte ich eigentlich, dass ich nie wieder ein Buch von Juli Zeh freiwillig lesen würde.

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