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Tsitsi-Dangarembga-Prozess : In Simbabwe heißt Widerstand leisten zu bleiben

Die Autorin Tsitsi Dangarembga (links) und die Journalistin Julie Barnes auf der Antikorruptionsdemo am 31. Juli 2020 in Harare, bei der sie beide verhaftet wurden. Bild: AFP

Die Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga steht in ihrer Heimat Simbabwe vor Gericht. Jetzt ist sie erst einmal nach Europa geflogen. Das Urteil wird Ende Juni gefällt. Ihren Protest gibt die Friedenspreisträgerin nicht auf.

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          Donnerstagmittag dieser Woche, zwölf Uhr, die simbabwische Autorin Tsitsi Dangarembga hat es am Flughafen von Harare durch die Passkontrolle geschafft und ist eingecheckt auf ihren Flug Richtung Europa. Deswegen ist Dangarembgas deutsche Verlegerin, Annette Michael, etwas entspannter: Aber durchatmen, sagt sie am Telefon, werde sie erst, wenn das Flugzeug auch wirklich in der Luft ist. Und zwar mit Tsitsi Dangarembga an Bord.

          Tobias Rüther
          Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Über Johannesburg soll die Reise für die Autorin erst nach Oslo gehen und am Montag weiter nach Berlin, wo Dangarembga mit ihrem Mann und einer der gemeinsamen Töchter zusammentreffen und im Literarischen Colloquium unterkommen wird. Ihr Mann, der Filmproduzent Olaf Koschke, bestätigt etwas später per Whatsapp aus Harare, dass seine Frau tatsächlich abgeflogen ist. Sie sei guten Mutes, schreibt er, auch dank der bislang gezeigten Solidarität. Aber der Stress sei groß und die Unsicherheit bleibe, wie es nun weitergeht.

          Denn Tsitsi Dangarembga, international gefeierte Autorin und im letzten Jahr Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, steht in ihrer Heimat Simbabwe vor Gericht. Die Anklage lautet, sie habe zu Gewalt aufgerufen, ihr wird Störung des Friedens und Bigotterie vorgeworfen: Am 31. Juli 2020 war Dangarembga gemeinsam mit der Aktivistin Julie Barnes auf einer Demonstration in Harare festgenommen worden.

          Die beiden hatten sich einem größeren Protest in der Hauptstadt angeschlossen, bei dem vor allem gegen die verheerende Corona-Politik des autoritären Staatspräsidenten Emmerson Mnangagwa protestiert werden sollte. Dangarembga und Barnes hatten auf ihren Plakaten institutionelle Reformen gefordert, die Freilassung eingesperrter Journalistinnen und Journalisten – und schlicht und einfach „ein besseres Simbabwe“ verlangt.

          Die Polizei hatte damals die Stadt weiträumig abzuriegeln versucht und auch andere festgesetzt, die zum De­monstrieren gekommen waren, Simbabwe befindet sich seit Jahrzehnten in einer politischen und wirtschaftlichen Dauerkrise. Fotos zeigen, wie Dangarembga und Barnes auf einen Polizeitransporter verfrachtet werden. Drei Tage zuvor war Dangarembgas Roman „This Mournable Body“ („Überleben“) für den Booker Prize nominiert worden. Ihre autobiographisch gefärbten Geschichten erzählen vom Alltagskampf weiblicher Figuren in Simbabwe, vom Bleiben, Durchbeißen und Weggehen – und sind Schullektüre. Dangarembga ist ein Literaturstar in ihrem Heimatland.

          Seit diesem 31. Juli 2020 hatte sich die Autorin jetzt aber regelmäßig bei der Po­lizei melden müssen. Auch ihren Pass musste Dangarembga abgeben, bekam ihn aber dank des Einsatzes ihres Anwalts Christopher Mhike im Dezember 2021 wieder zurück. Mhike vertritt immer wieder in ähnlichen Fällen Angeklagte, die öffentlich gegen die Missstände in Simbabwe protestieren oder über sie berichten, und denen mit fadenscheinigen Begründungen der Prozess gemacht wird. Der gegen Dangarembga und Barnes war fast zwei Jahre lang immer wieder vertagt worden – bis er dann Anfang Juni jetzt doch begann.

          Manipulierte Beweisstücke, einknickende Zeugen

          Drei Prozesstage folgten seither, an de­nen die Staatsanwaltschaft manipulierte Beweisstücke präsentierte und Zeugen der Anklage diese Manipulation sogar bestätigten. Einer der Polizisten, die Dangarembga und Barnes damals verhafteten, zerlegte sich im Kreuzverhör mit Anwalt Mhike selbst und erklärte, dass auf den Plakaten der beiden Frauen nichts obszön gewesen sei oder zur Gewalt aufgerufen habe, so weit er sich daran überhaupt erinnern könne. Der Inspektor sagte dann noch, dass sich die beiden Frauen friedlich gezeigt und auch niemanden anderes an­gestachelt hätten – und dass nichts da­ran illegal sei, für eine bessere Gesellschaft oder Pressefreiheit einzutreten.

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