Der neue Follett : Krieg, Sex und andere Katastrophen
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Generalstabschef des Erzählens: Ken Follett Bild: Eilmes, Wolfgang
Am 18. September erscheint Ken Folletts „Winter der Welt“, der Mittelteil seiner Trilogie des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Roman hält stand, spart aber eine wichtige Erzählfarbe aus. Wir lesen Globalliteratur.
Ken Follett ist ein Generalstabschef des Erzählens. Seine Organisation, das „Follett Office“, besteht inzwischen aus gut zwanzig Mitarbeitern, die von der Recherche bis zum Rechnungswesen jeweils für klar strukturierte Aufgaben zuständig sind. Weltweit sind inzwischen mehrere Kohorten von Verlagslektoren, Übersetzern, Herstellern und Marketingleuten hinzugekommen, die ihm indirekt zu Diensten sind - angesichts ihrer je eigenen Gewinnaussichten keineswegs ungern.
Aber natürlich hat auch der jetzt dreiundsechzig Jahre alte Waliser einmal ganz bescheiden begonnen. Noch sein erster Welterfolg, der bis heute unverstaubte Spionagethriller „Die Nadel“ von 1978, war das Werk eines solistisch vor sich hinwerkelnden Schreibmenschen, der nach Jahren der Erfolglosigkeit endlich den rettenden Einfall hatte.
Mehr als ein weiteres Jahrzehnt sollte vergehen, ehe er mit „Die Säulen der Erde“ (1990) nicht nur ein zwischendurch ziemlich auf den Hund gekommenes Genre, den historischen Roman, spektakulär revitalisierte, sondern sich erstmals auch gezielt bei Spezialisten, im speziellen Fall bei Historikern des Mittelalters und Kennern der Kathedralen-Architektur, professionellen Rat suchte und sie temporär in sein Kernteam integrierte.
Es geht um das welthistorische Ganze
So entstand zunächst die Firma Follett, die bei stetig wachsendem kommerziellem Ertrag - auch die historischen Folgeromane, „Die Pfeiler der Macht“ (1994) oder „Die Tore zur Welt“ (2007), reüssierten, Verfilmungshonorare sprudelten munter - logischerweise expandierte.
Zum Generalstab mutierte das Unternehmen erst, als sich Follett entschloss, seinen punktuellen Erzählzugriff auf geschichtliche Stoffe - „Die Säulen der Erde“ spielen im zwölften, „Die Tore der Welt“ im vierzehnten Jahrhundert und beide in England -, auf das welthistorische Ganze und auf eine noch ganz nahe Vergangenheit, das letzte Säkulum, auszudehnen.
Vor zwei Jahren erschien „Sturz der Titanen“, umfasste als erzählte Zeit die Jahre 1911 bis 1924, spielte zwar nicht auf allen, aber mit Amerika, Europa und Asien eben auf den zentralen Kontinenten und benutzte dafür naturgemäß den Ersten Weltkrieg als Erzählkern eines globales Geschichts- und Geschichtenpanoramas.
Am 10. September erschien der Folgeband „Winter der Welt“ in Großbritannien, heute, am 18. September, sind die deutschsprachigen Länder und ganz Nordamerika an der Reihe, übermorgen wird er in Spanien und Lateinamerika ausgeliefert, am 27. September ist das Buch dann auf dem japanischen Markt erhältlich, selbstredend auch dort bereits in die Landessprache übersetzt.
Die weltweit produzierten Stückzahlen für den jeweiligen Erstverkaufstag orientieren sich an der Startauflage des Vorgängers, geschätzte zwei bis drei Millionen gebundene Exemplare also, gleichzeitig kommen die entsprechenden E-Books und die (wie stets gekürzten) Hörbuch-Fassungen hinzu. Ken Follett kennt keine Krise.
Was man alles erfährt
Und er bietet rein handwerklich aufs Neue genau das, was man von ihm erwartet: kenntnisreiche Solidität und substantielle Sachlichkeit, jeweils in leicht verständlicher Sprache dargeboten, also mit einem Minimum an Fachvokabular. Auf der wiederum gut tausend Seiten umfassenden Erzählstrecke wird man also, ohne sich zu langweilen, etwa erfahren, was es mit dem britischen „Beveridge Report“ des Jahres 1942 auf sich hatte, wie die Empfängnisverhütung zwischen 1933 und 1948 (eventuell) funktionierte, wie sich Technik und Produktion von Flugzeugträgern entwickelten, nicht zuletzt auch, wie „die selbsterhaltende Kernreaktion“, das „Manhattan-Projekt“ und die Atombombe in die Welt kamen.