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Karl-Siegbert Rehberg zum 80. : Er verfügt über die nötige Sensibilität für ostdeutsche Problemlagen

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Karl-Siegbert Rehberg Bild: Funke

Zur Kunst der DDR wie zu den Pegida-Protesten hat er Standardwerke verfasst: Der Dresdner Soziologe Karl-Siegbert Rehberg, letzter Assistent Arnold Gehlens, wird 80 Jahre alt.

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          Es war Theodor W. Adorno, der Arnold Gehlen Anfang der Sechzigerjahre einlud, mit ihm in Rundfunk und Fernsehen Streitgespräche zu führen. Fasziniert von Gehlens – auf Documenta-Erfahrungen beruhender – „Ästhetik und Soziologie moderner Malerei“ kam es auf Adornos Initiative zwischen ihm als Remigranten der Frankfurter Schule und dem als konservativ-liberal markierten Philosophen und Soziologen Gehlen, der im Nationalsozialismus Karriere ge-macht hatte, zu legendären Diskussionen. Themen waren: „Ist die Soziologie eine Wissenschaft vom Menschen?“; „Soziologische Erfahrungen an der modernen Kunst“; „Öffentlichkeit – was ist das eigentlich?“

          In diese Konstellation hat sich Karl-Siegbert Rehberg Anfang der Siebzigerjahre intellektuell gestellt. Als Buchhändler kam er auf dem zweiten Bildungsweg an die Technische Hochschule Aachen. Der begeisterte Adorno-Leser studierte bei Arnold Gehlen Soziologie – und wurde sein letzter Assistent. Schon 1973 in seiner Dissertation verschränkte er die Perspektive einer Freiheit ermöglichenden „Entlastung“ durch Institutionen (Gehlens Leitmotiv) mit der Perspektive der repressiven „Belastung“ durch Institutionen (Adornos Credo).

          Mit intellektuell-ironischer Wendigkeit

          Rehberg wurde dann 1977 Herausgeber der Gehlen-Werke. Die skrupulös kommentierte zehnbändige Werkausgabe wuchs sich zu einer Lebensaufgabe aus: Über mehr als 40 Jahre erschien etwa alle fünf Jahre ein Gehlen-Band – gleichsam als Pendant zur rasch fortschreitenden zwanzigbändigen Ausgabe von Adornos Gesammelten Schriften. Das von vielen erhoffte große Gehlen-Buch steht noch aus – eine Zusammenstellung von Rehbergs subtilen, aus profunder Kenntnis verfassten Einleitungen zu Gehlen-Werken wie „Der Mensch“, „Urmensch und Spätkultur“, „Die Seele im technischen Zeitalter“, „Moral und Hypermoral“ ergäbe dieses Buch nahezu.

          1992 wurde Rehberg, intellektuell inzwischen in der soziologischen Theorie und Kultursoziologie mit fast allen Wassern gewaschen (Marx, Weber, Kritische Theorie, Philosophische Anthropologie, Systemtheorie, Elias, Bourdieu etc.), zum Gründungsprofessor des Instituts für Soziologie an der neuen Philosophischen Fakultät der TU Dresden berufen. Dort hat er nicht nur Generationen ostdeutscher Studierender in die Raffinessen pluralen soziologischen Denkens eingeführt, er war mit seiner interdisziplinären Begabung auch federführend an erfolgreichen Dresdner Forschungsvorhaben beteiligt (Sonderforschungsbereich „Institutionalität und Geschichtlichkeit“).

          Er entwickelte sich – mit hoher Sensibilität für ostdeutsche Mentalitäten und Problemlagen – zu einem wichtigen Repräsentanten einer gesamtdeutschen Soziologie. Herausragend dabei vor allem seine kunstsoziologischen Interventionen im „Bilderstreit“ zwischen abstrakter Westmoderne und figurativer Auftragskunst der Ostmoderne („Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch. Die Debatten um die Kunst der DDR als Stellvertreterdiskurs im Prozess der deutschen Wiedervereinigung“, 2013). Etwas später wurden seine Analysen zum Dresdner Pegida-Phänomen („Pegida – Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und ‚Wende‘-Enttäuschung?“ von 2016) zum Standardwerk politischer Soziologie. Rehberg hat kunstsoziologisch und politisch-soziologisch Dresden als Fokusstadt bundespolitischer Debatten begriffen – und damit zugleich umgekehrt Beiträge zur kritischen Selbstaufklärung der Stadt geliefert.

          Wer Karl-Siegbert Rehberg mit der ihm eigenen intellektuell-ironischen Wendigkeit auf Konferenzen erlebt hat, weiß, dass dieser Soziologe ein sicherer Gewinn fast für jede interdisziplinäre Party ist. Am 2. April begeht er in Dresden seinen 80. Geburtstag.

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