Sammlung von Autorenporträts : Gesichter der Literatur
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Ernst Ludwig Kirchners Lithographieporträt von Carl Sternheim, 1916 Bild: Leopold Museum Wien
Selten sah man Döblin so verschmitzt lächeln: Das Leopold Museum Wien stellt die ihm nun übereignete Sammlung Klewan aus.
Die Sammlung des Galeristen und Verlegers Helmut Klewan, die jetzt als Schenkung ans Wiener Leopold Museum ging, hat das Zeug, zu einem neuen einzigartigen Porträtarchiv der Weltliteratur zu werden. Der Ausstellungskatalog umfasst mit rund 350 Bildnissen noch mehr, als jetzt im Untergeschoss des Museums gezeigt werden. Nach Ländern und Nationalsprachen geordnet, sind Kupferstiche, Lithographien, Holzschnitte, Zeichnungen und Fotografien aus vier Jahrhunderten zu sehen.
Radierungen von Georg Eisler oder Horst Janssen sind wie Aufnahmen von Isolde Ohlbaum überproportional vertreten, viele davon sind gut bekannt. Druckporträts wie die Max Beckmanns von Edschmid, Ernst Ludwig Kirchners von Sternheim, Oskar Kokoschkas von Dehmel oder Willi Geigers von Heinrich Mann sind aber noch nicht überall abgebildet. Eine Bleistiftzeichnung von Ulysses Belz aus dem Jahr 1996 zeigt Botho Strauß ausdrucksstark verdoppelt in entgegengesetzte Richtungen blickend. Günter Grass greift 1972 gleich selbst zur Grabnadel, um sich mit Schnecke ins Bild zu setzen. Besonders charmant ist eine kleinformatige Radierung Döblins von Emil Orlik – selten hat man den Berliner Arzt so verschmitzt lächeln sehen.
Aus der englischen Literatur ragt Thomas Hardy als fotografischer Bromöldruck von Hugh Thomas (1900) heraus; auch Fotogravuren aus Amerika, etwa von Walt Whitman oder Ralph Waldo Emerson, führen in die Frühgeschichte der Fotografie. Erhellend ist der Vergleich unterschiedlicher Techniken und künstlerischer Perspektiven, etwa in gleich drei Porträts des Menschengrüblers Dostojewski: als Fotografie Constantin Chapiros von 1870, als Holzschnitt Félix Vallottons von 1895 und als Radierung Beckmanns von 1921. Neben Druckgrafik und Fotografien gibt es auch etliche Originalzeichnungen. Eine rasche Federskizze Rudolf Grossmanns von Jules Romains besteht aus ganz wenigen schwungvollen Linien. Dominik Steiger fasst hingegen den Literaturpreisträger Gerhard Rühm in eine komplexe Tusch- und Bleistiftzeichnung: „Zur Erinnerung an den Fasching 77“.
Die österreichische Literatur ist naturgemäß stark vertreten. Michael Haussmanns Kupferstich von Freud besteht vor allem aus Brille und schmallippigem Kinn, Nestroy tritt einem auf einem Aquarell von Johann Christian Schoeller in Louis Angelys Komödie „Sieben Mädchen in Uniform“ mit Dolch und Augenklappe entgegen.
Die dichte Hängung der kleinen Formate in einem einzigen großen Museumsraum ähnelt der Überfülle in Klewans eigener Wohnung. Der Katalog ist ein Schatz, zumal hier flankierende Geschichten erzählt werden. Zu einem Bildnis Elias Canettis von Isolde Ohlbaum aus dem Jahr 1984 erfährt man etwa Details zu Klewans Begegnung mit dem aus London nach Zürich zurückgekehrten Canetti im Wiener Café Hawelka zehn Jahre zuvor. Da kommentierte der Schriftsteller Klewans Tätigkeit als Kunsthändler mit folgenden Worten: „Aber wie kann man denn mit einem so sensiblen G’sichterl einen so brutalen Beruf ausüben?“
Der Blick aus dem Rahmen – Literarische Porträts aus der Sammlung Klewan. Im Leopold Museum, Wien; bis zum 28. August. Der Katalog kostet 19,90 Euro.