Archipel Jugoslawien : Das steinerne Floß
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Sloweniens Hauptstadt Ljubljana ist wohlhabend geworden. Bild: Reuters
Was können Künstler bewirken? Wer sich nostalgisch nach dem alten Jugoslawien sehnt, darf nicht vergessen: Trotz aller Freiheiten war Titos Staat eine Diktatur.
Wenn das gemeinsame Leben in einer Ehe unerträglich wird, entscheiden sich die Eheleute für eine Scheidung. Und wenn dies nach langen und mühseligen Gesprächen, nach schrecklichen und allseitig erniedrigenden Formalitäten endlich eintrifft, kommt auf beiden Seiten eine gähnende Leere zum Vorschein. Die Leere einer ausgeräumten Wohnung, die Leere einer menschlichen Amputation, der leere Klang der Stille dessen, was fehlt. Und dies obwohl es zahlreiche Konflikte gegeben hat, jawohl, sogar Hassgefühle. Aber wo Hass herrscht, da herrscht auch Liebe, wie man in jedem Kolportageroman nachlesen kann.
So sahen meine Gedanken im Jahr 1991 aus.
Dreißig Jahre später würde ich zu dem Titel, den Traduki für eine Essay-Serie über den jugoslawischen Archipel vorgeschlagen hat, als Sinnbild für den Zerfall dieses ehemaligen Staates eher den Roman von José Saramago Das steinerne Floß heranziehen. Darin erzählt der Autor die Geschichte der Pyrenäenhalbinsel, auf der ein winziger, mit einem Ulmenzweig gezeichneter Strich tektonische Verschiebungen auslöst, woraufhin sich die Halbinsel vom Kontinent abspaltet und zu einer Insel wird, ein steinernes Floß, das ins weite Meer hinausdriftet; die unfähigen Politiker und Reichen schaffen das Geld weg, die verlassenen Hotels an der Küste werden von Obdachlosen bezogen, ein Chaos entsteht.
Das mag uns vertraut vorkommen, etwas Ähnliches ist mit Jugoslawien passiert, und als dieses zu einem Archipel geworden war, brachen auf Grund von ein paar unsichtbaren Linien, die sich zwischen uns eingekerbt hatten, auch Brücken zwischen den Inseln ein, Fähren versanken, sogar Telefondrähte und Unterwasserkabel, die sie einst verbunden hatten, wurden gekappt. Für eine ziemlich lange Dauer.
Nun fahren die Schiffe wieder und in den Kabeln surrt es nur so vor Kommunikation.
Heute kann ich über Jugoslawien in literarischen Metaphern sprechen. Damals, anno 1991, hatte ich persönlichere Überlegungen. Wie hätte es anders sein können, wo ich bis zu diesem Jahr mein ganzes Leben im Staat mit diesem Namen verbracht hatte. Ich dachte an den Augenblick der Trennung zwischen Slowenien und Jugoslawien, ich verglich es sogar mit äußerst persönlichen Erfahrungen, das heißt mit den Geschichten von Freunden und Verwandten, denen solche Dinge widerfahren waren.