Widerstand in Amerika : Der Kampf gegen Amazon beginnt
- -Aktualisiert am
Die Schriftstellerin Edan Lepucki am Dienstag vor dem Skylight Bookstore in Los Angeles Bild: Jan Brand
Ja, es ist praktisch, bei Amazon zu kaufen. Ja, man findet dort wirklich fast alles. Aber bald regiert ein Konzern den gesamten Buchmarkt. In Amerika regt sich Widerstand.
Er sei immer ein großer Fan von Amazon gewesen, sagte der amerikanische Fernsehmoderator Stephen Colbert Mitte Juni in seiner Satireshow „The Colbert Report“. Das sei der einzige Laden, in dem er Unterwäsche einkaufen könne, ohne befürchten zu müssen, von anderen beobachtet zu werden. Außerdem finde er dort die schrägsten Sachen - ein Schachspiel mit der Zeichentrickfigur Scooby-Doo zum Beispiel, neonfarbene Ganzkörperanzüge, getrocknetes Kängurufleisch - und eine Gartenlaube aus Plastik, um das ganze irre Zeug vor der Familie zu verstecken. Aber jetzt sei er wütend auf Amazon, nicht nur weil das Unternehmen seine eigenen Bücher „America Again - Re-Becoming the Greatness We Never Weren’t“ oder „I Am America (And So Can You!)“ absichtlich mit dreiwöchiger Verzögerung ausliefere. Sondern auch weil darunter Leute zu leiden hätten, die Ratgeber wie „Abnehmen in 21 Tagen“ bestellen und nach 21 Tagen, wenn das Buch bei ihnen ankommt, immer noch kein Gramm abgespeckt haben. Dann zeigte er Amazon-Chef Jeff Bezos den Stinkefinger - ein Skandal im US-Fernsehen - und erklärte ihm offen den Krieg.
Colbert ist in den Vereinigten Staaten nicht irgendwer, seine Meinung hat Gewicht. Er hat 6,6 Millionen Follower auf Twitter. Das „Time Magazine“ wählte ihn wiederholt zu den hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Landes. Seine Shows wurden mehrfach mit dem Emmy, dem wichtigsten Fernsehpreis, ausgezeichnet. Im nächsten Jahr wird er Late-Night-Talk-Legende David Letterman beerben.
Goliath gegen Goliath
Hintergrund für Colberts Entrüstung ist ein Streit zwischen Amazon und dem Verlagskonzern Hachette, der neben Colberts Titeln auch Romane von Weltbestsellerautoren wie J. K. Rowling, Stephenie Meyer, David Foster Wallace, J. D. Salinger oder James Patterson im Programm hat. Patterson zählt zu den meistgelesenen Genre-Autoren der Vereinigten Staaten, er beschäftigt ein ganzes Team von Mitarbeitern und veröffentlichte allein im vergangenen Jahr 16 Bücher. Vor ein paar Monaten schaltete er Anzeigen in Zeitungen, in denen er die Regierung aufforderte, etwas gegen die Konzentration im Buchgeschäft zu unternehmen. Und kürzlich auf der Buchmesse in New York sagte er zum Thema Amazon: „Wenn das der neue American Way sein soll, dann muss er vielleicht geändert werden, per Gesetz.“
Amazon kontrolliert inzwischen fünfzig Prozent aller Buchverkäufe in den Vereinigten Staaten und will seine Marktmacht ausbauen, indem es die Verlage zwingt, dem Unternehmen höhere Rabatte für E-Books einzuräumen. Als Druckmittel dient neben den verzögerten Lieferzeiten auch ein unseriöses Angebot an die betroffenen Autoren: Sie sollen hundert Prozent der E-Book-Erlöse erhalten, solange der Streit andauert. In Deutschland ist Amazon dank Buchpreisbindung und einem stärkeren Sortimentsbuchhandel weniger mächtig als in den Vereinigten Staaten, doch auch hier übt Amazon Druck auf Konzerne wie die Bonnier-Gruppe aus, zu der die Verlage Piper, Ullstein und Carlsen gehören.
Es ist kein Kampf David gegen Goliath. Hier stecken Riesen ihr Revier ab. Sollten Hachette oder Bonnier aber einknicken, könnte das dazu führen, dass Amazon das Verlagswesen irgendwann allein beherrscht und nicht nur den Preis der Bücher bestimmt, sondern den Schriftstellern auch die Vertragskonditionen diktiert. Und die werden, wenn es keine ernsthafte Konkurrenz mehr gibt, wohl kaum sehr gut sein.