Methoden eines Branchenriesen : Amazons Spiel auf Zeit
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Die Macht des Monopolisten: Nach schleppenden Verhandlungen laufen Bücher einiger Verlage erst später durch die Verteilerzentren. Bild: ddp
Amazon blockiert Bücher von missliebigen Verlagen und arbeitet dabei mit dubiosen Methoden. Buchmarkt-Experten sind nicht wirklich überrascht vom Vorgehen des Handelsgiganten.
Wer Malcolm Gladwells „Überflieger“ heute bei Amazon in Deutschland bestellt, kann das Buch schon morgen in Händen halten. Wer dagegen auf amerikanischem Boden gern in „Outliers“ blättern würde, also in der englischen Originalversion, muss darauf, wenn alles gutgeht, zwei bis drei Wochen warten. „Usually ships within 2 to 3 weeks“, vertröstet uns Amazon da, auf einmal wenig geschäftstüchtig. Der Grund: „Überflieger“ ist bei Piper erschienen, „Outliers“ bei Little, Brown and Company, einem Imprint der Hachette Book Group. Und mit Hachette liegt Amazon im Clinch. Natürlich geht es um Geld. Amazon will die Bücher billiger bekommen, als Hachette sie zu liefern bereit ist. Insbesondere bei E-Books sollen die Verhandlungen über Konditionen ins Stocken geraten sein. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat der Marktführer im Internethandel offenbar diese Verzögerungstaktik gewählt, so verkaufsschädigend sie auch sein mag.
Hachette versichert jedenfalls, mit Lieferungen keineswegs im Rückstand zu sein, wirft Amazon vielmehr vor, sie zu blockieren. Betroffen ist nicht nur Gladwell, sondern allein unter prominenten Autoren etwa auch der Fernsehsatiriker und Bestsellerproduzent Stephen Colbert. Sogar einige Titel von J.D. Salinger sind nur nach einer disziplinarisch verhängten Wartezeit erhältlich. Die Firma, die sich inzwischen ein Drittel des Buchhandels in den Vereinigten Staaten gesichert hat, verfügt aber über eine weitere Strafmaßnahme. So wird „Outliers“ nur mit einem Rabatt angeboten, der viel geringer ist als bei der verbliebenen Konkurrenz, zum Beispiel Barnes and Noble.
Amazon steht unter Druck
Nur zu verständlich, dass sich Autoren über den Absatz ihrer Bücher Sorgen machen, wenn der mächtigste Buchhändler des Landes mit solchen Taktiken den Verkauf sabotiert und dabei selbst vor eigenen Verlusten nicht zurückschreckt, solange Aussicht auf einen einträglichen Kniefall des Geschäftspartners und -gegners besteht. Überrascht hat Amazon mit seinem Vorgehen, das die „New York Times“ zuerst enthüllte, aber kaum einen Beobachter des amerikanischen Buchmarktes. Als es vor einigen Jahren Krach mit dem Verlag Macmillan gab, war plötzlich kein Button mehr zum Kauf anzuklicken. Ähnlich erging es der Independent Publishers Group, deren Bücher von der Website verschwanden. Erst nach Friedensverhandlungen hinter den Kulissen wurde der Internetkrieg beigelegt.
Trotz seiner Marktdominanz befindet sich Amazon jedoch in einer schwierigen Lage. Seit Monaten steht die Aktie unter Druck, und Investoren warten weiterhin auf Profit. Jeder Weg, die Bilanz zu verbessern, muss darum beschritten werden, auch wenn er durch eine verrufene Gegend führt. Im Zeitalter von Twitter besteht freilich die Gefahr, dass die geschäftliche Auseinandersetzung ins PR-Desaster umschlägt. So warnt jetzt die Authors Guild alle Hachette-Autoren: „Amazon hat Tausende von Büchern in der Vergangenheit blockiert.“ Nicht nur Bestseller seien betroffen, die Auslieferung von mehr als hundertfünfzig Büchern werde verzögert. Der Schriftsteller, Lyriker und Drehbuchautor Sherman Alexie twittert: „Wie alle repressiven Regimes will Amazon deinen kompletten Zugang zu Büchern unter seine Kontrolle bekommen.“ Für den Sachbuchautor James Gleick besteht die Ironie der Situation nun vor allem darin, dass die Antitrust-Behörde des Justizministeriums nicht hinter Amazon her ist, sondern hinter Verlagen, die sich angeblich gegen Amazon verschworen hätten. Keine schlechte Verhandlungsbasis für einen Händler, der alles daransetzt, den Markt zu beherrschen, vorzugsweise als Monopolist.