Dahintreibend in einer breiten Gegenwart
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Wenn schon Verfallsgeschichte, dann richtig: Die Soziologin Alexandra Schauer zieht alle Register, um die Fatalität gegenwärtiger Gesellschaftsverhältnisse zu beleuchten.
Mit ihrer kolossalen Gegenwartskritik „Mensch ohne Welt“ ruft die Frankfurter Soziologin Alexandra Schauer nach der Risiko-, Erlebnis-, Informations- und Empörungs-Gesellschaft nun so etwas wie die Epoche des Verschwindens aus. In drei Themenblöcken über Zeiterfahrung und Geschichte, Öffentlichkeit und Markt sowie über Stadt und Gesellschaft warnt sie vor der zerstörerischen Raum-Zeit-Kompression durch die Augenblicksorientierung der Moderne, in der alles Stehende verdampft.
Schauers Nachrichten aus dem Jammertal sind niederschmetternd: Die Menschen der Spätmoderne hätten sich von der Welt der kollektiven Selbstverständigung und politischen Gesellschaftsgestaltung verabschiedet; sie lebten in einem „omnipräsenten Hier und Jetzt“ ohne Vergangenheitsbezug und ohne Zukunftshoffnungen; ihre desorganisierte Zeiterfahrung erzeuge eine immer dominantere, breite Gegenwart, in der „Geschichte in die Gleichzeitigkeit historischer Fragmente zerfällt“ und „Zukunft beständig wie ein Unfall in die Gegenwart einbricht“; angesichts unkalkulierbarer Risiken und Angstszenarios zögen sich die Menschen ins grenzenlos gewordene Private zurück und übten Selbstoptimierung anstelle von Weltverbesserung. Sie litten nicht mehr an den Entsagungen der Disziplinargesellschaft, sondern am Versagen bei der Verfehlung ihrer Ich-Ideale.
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