Rushdie kämpft gegen Zensur : „Ein Angriff auf die menschliche Natur“
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Salman Rushdie spricht auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse. Bild: Frank Röth
Eine flammenden Rede für die Meinungsfreiheit hielt der Schriftsteller Salman Rushdie zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse. Das Recht auf freie Rede dürfe nicht durch religiöse Intoleranz beschnitten werden. Und auch nicht durch Political Correctness.
Noch nie galten für die Eröffnungs-Pressekonferenz so strenge Sicherheitsauflagen. Das liegt vor allem daran, dass es bisher noch nie einen so wichtigen Gastredner gab wie Salman Rushdie, den britisch-indischen Autor, der 1989 mit einer Fatwa belegt worden war und jahrelang im Untergrund leben musste. Er weiß, wovon er redet, wenn er zur Meinungsfreiheit aufruft, die insbesondere durch religiöse Intoleranz bedroht sei.
„Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine anderen Rechte“, betonte er in seiner Rede. „Die Begrenzung der Meinungsfreiheit ist nicht nur Zensur, sie ist ein Angriff auf die menschliche Natur.“ Menschen seien Sprachwesen und existierten, indem sie sich ihre Geschichten erzählten. So wie die Schriftsteller und Aufklärer im 18. Jahrhundert die Meinungsfreiheit im Kampf gegen die Kirchen errungen hätten, so müssten Schriftsteller, Verleger und Bürger heute die Meinungsfreiheit wieder gegen religiöse Eiferer behaupten.
Meinungsfreiheit ist nicht kulturspezifisch
Auch im Westen gebe es viele Angriffe gegen die Meinungsfreiheit, sagte Rushdie. Einer der Angriffe gehe von dem Streben nach „Political Correctness“ aus. In den Vereinigten Staaten werde darüber diskutiert, ob auf Buchumschlägen die Leser darauf aufmerksam gemacht werden sollten, dass der Inhalt sie beunruhigen könne. Daneben gebe es „eine merkwürdige Allianz zwischen Teilen der europäischen Linken und radikalen Denkern des Islams“. Wenn eine Ideologie sich als Religion bezeichne, werde im Westen die Feindschaft gegen Frauen, Juden und andere unter den Teppich gekehrt. Der größte Angriff gegen die Meinungsfreiheit gehe von der Behauptung westlicher Denker aus, dieses Recht sei kulturell spezifisch und gelte nur in bestimmten Ländern. Rushdie behauptete vehement: „Die Meinungsfreiheit ist universell!“
Literatur und Kunst nehmen die Welt nach den Worten von Rushdie nicht als etwas Gegebenes hin, sondern hinterfragen die Familie, die Politik und die Religion. Deshalb seien die Literatur und die Kunst gefährlich für diejenigen, die die Geschichte kontrollieren wollten. Deshalb verfolgten Diktatoren Schriftsteller. Die Autoren hätten dies selten überlebt, aber ihre Kunst habe die Diktaturen überlebt, so die von Ovid das Römische Reich, die von Ossip Mandelstam den Stalinismus, die von Federico García Lorca den spanischen Faschismus. „Die Literatur ist ein Gemälde der Wirklichkeit“, sagte Rushdie. Er rief dazu auf, die Schriftsteller und ihr Werk zu verteidigen.
Literatur muss stören
Als bekannt wurde, dass Rushdie auf der Pressekonferenz reden sollte, sagte der Iran seine Teilnahme an der Buchmesse ab. Jürgen Boos, Direktor der Buchmesse, betonte, er sei nicht froh über den Boykott. „Denn damit geht einher, dass wir eine weitere Gelegenheit verpassen, uns mit den iranischen Kollegen auszutauschen“, sagte er. „Es gibt den einen zentralen Aspekt der menschlichen Zivilisation, der für mich nicht verhandelbar ist. Das ist die Freiheit des Wortes, die freie Meinungsäußerung. Über alles andere soll man nicht nur, man muss darüber reden.“ Das Beste, was die Branche, was die Literatur in der momentanen Situation tun könne, sei, zu stören, so wie auch Rushdie mit seiner Literatur störe.
Frankfurter Buchmesse : Salman Rushdie appelliert an die Meinungsfreiheit
Auch die Buchmesse übt sich im Aufbau von Stolpersteinen und dem Abschied von liebgewonnenen Abläufen. Die englischsprachige Welt liegt nicht mehr in zweistelligen Hallen am Ende der Welt, sondern näher am Kern. „Wir wollen mit der Nase darauf stoßen, dass es viele neue Gesprächs- und Geschäftspartner zu entdecken gibt, neue Ideen, Technologien, Chancen“, so Boos. In Halle 3.1 geht es beim „Weltempfang“ international und politisch zu, und auch die Gourmet-Gallery ist keine rein deutschsprachige Veranstaltung mehr.
Die 67. Frankfurter Buchmesse wird am Dienstagabend offiziell eröffnet. Auf dem weltgrößten Branchentreff werden bis zum 18. Oktober mehr als 7000 Aussteller aus rund 100 Ländern erwartet. Gastland ist Indonesien.