Tsitsi Dangarembga, die neue Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, am Rednerpult in der Paulskirche Bild: AFP
Tsitsi Dangarembga wird mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt. Aber die Verleihung verläuft anders als geplant – nicht nur wegen einer offenen Kampfansage des Frankfurter Oberbürgermeisters an die Buchmesse.
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Bei der Verleihung des Friedenspreises muss es nicht friedlich zugehen, Meinungsaustausch, auch Meinungsstreit gehören bei diesem dezidiert politischen Publizistikpreis dazu. Trotzdem war es ein Novum, dass an diesem Sonntagvormittag gleich zu Beginn der Feierstunde für die diesjährige Preisträgerin Tsitsi Dangarembga jemand anders unangekündigt in den Mittelpunkt rückte: die Frankfurter Stadtverordnete Mirrianne Mahn. Die Vorsitzende des Kulturausschusses im Stadtparlament* enterte das Rednerpult in der Paulskirche, unterbrach die Begrüßungsansprache ihres Oberbürgermeisters Peter Feldmann gegen dessen sanften Widerstand und gab eine flammende Stellungnahme zum Streit um die Präsenz rechter Verlage auf der Buchmesse ab.
Mahn, Grünen-Politikerin und schwarze Aktivistin, sprang damit der Autorin Jasmina Kuhnke bei, die ihren Messeauftritt mit der Begründung abgesagt hatte, dass sie als Schwarze sich dort angesichts des vertretenen Verlags Jungeuropa nicht sicher fühlen könne. Dessen Teilnahme hatte daraufhin Juergen Boos, der Direktor der Buchmesse, mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit verteidigt. Mahn sagte nun bei ihrer Intervention, Meinungsfreiheit sei nicht die entscheidende Frage: „Das Paradox ist, dass wir hier in der Paulskirche einer schwarzen Frau den Friedenspreis verleihen und schwarze Frauen auf der Buchmesse nicht willkommen waren.“
Schon zuvor hatte Feldmann festgestellt, dass er gelesen habe, es herrsche Angst wegen des Festhaltens an der Meinungsfreiheit, weshalb er an die anderen Grundrechte erinnern müsse: Allen voran gehe im Grundgesetz die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. „Im kommenden Jahr will ich, dass alle diese Autorinnen ohne Angst nach Frankfurt kommen können.“
Das war eine offene Kampfansage an die Buchmesse und damit auch an den sie ausrichtenden Börsenverein des deutschen Buchhandels, der den Friedenspreis verleiht: Feldmann erwartet den Ausschluss rechter Verlage oder solcher, die öffentlich dafür erklärt werden. Der Oberbürgermeister hat, wie man seit der letzten in Frankfurt veranstalteten Internationalen Automobilausstellung (die dann auch tatsächlich die letzte hiesige wurde) weiß, ein Händchen für Affronts gegenüber Messeausrichtern. Er bewies nun unfreiwillig auch eines für die Brüskierung der Preisträgerin, denn bevor die Feierstunde auf Sendung ging, hatte Martin Schult, für den Börsenverein langjähriger Organisator des Friedenspreises, dem Publikum erzählt, wie positiv sich Tsitsi Dangarembga über die Buchmesse als Forum der Meinungsfreiheit geäußert habe.
In der Tat sang Dangarembga später in ihrer Dankesrede das hohe Lied auf den deutschen Buchhandel, weil der sich entschieden habe, „Inhalte, Wörter und Narrative zu ehren, die ein friedliches Verstehen der Unterschiede, die wir zwischen uns wahrnehmen, fördern“. Gegen die traditionell individualistische und damit Andersdenkende ausgrenzende Auslegung von Descartes’ Satz „Ich denke, also bin ich“ im westlichen Verständnis setzte Dangarembga die afrikanische Philosophie des ubuntu: „Ich bin, weil du bist.“ Wobei auch die uns nicht gerettet habe, weshalb eine neue Aufklärung nötig sei, die „Wort für Wort“ unsere Denkmuster verändere.
Gespräch mit-, nicht übereinander
Dazu indes braucht es Gespräche miteinander statt übereinander. Die Spannung nach Mirrianne Mahns Auftritt war zwar mit Händen zu greifen, aber keine der folgenden Rednerinnen – Karin Schmidt-Friderichs als Vorsteherin des Börsenvereins, Auma Obama als Laudatorin und die Preisträgerin Tsitsi Dangarembga selbst – nahmen die Provokation auf. Obama, eine Halbschwester des früheren amerikanischen Präsidenten, erinnerte in ihrer sehr persönlich gehaltenen Rede vielmehr daran, dass sowohl sie selbst als auch Dangarembga ehedem aus ihren afrikanischen Heimatländern (Simbabwe bei Danbarembga, Kenia bei Obama) nach Deutschland gekommen waren, „um eine Stimme zu finden“.
Ihre beider positiven Erfahrungen dabei beschrieb Obama so: „Man hat die Zeit, sich selbst zu sehen, weil andere dich als Fremde sehen, sich selbst zu verstehen, weil andere dich definieren wollen.“ Man müsse also wegkommen vom Vertrauten, um sich selbst zu finden – „wir haben es eben gehört“. Ob dieser einzige von der vorgefertigten Rede abweichende Halbsatz auf Mirrianne Mahns Einlassung gemünzt war, musste offenbleiben. Ein Gespräch von Mahn mit der Preisträgerin war jedenfalls schwer möglich. Keine Viertelstunde nach der Preisverleihung war auf der Buchmesse schon wieder eine Diskussionsrunde über rechte Verlage angesetzt, an der Mahn teilnahm.