BRD-Nostalgie : Die gute, gute alte D-Mark
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War so die alte BRD: beschaulich und saturiert? Aufnahme von 1958 Bild: akg-images / Florian Profitlich
Der jüngste Wahlerfolg der AfD zeigt, dass Deutschland auf dem westlichen Auge blind geworden ist. Auch wenn sich mancher die alte BRD und die D-Mark zurückwünscht – wir kennen diese Zeit ja gar nicht mehr.
Gesellschaften in der Krise kehren gern zu den Bildern der letzten Epoche zurück, die sie als besonders erfolgreich in der kollektiven Erinnerung führen. Österreicher beschwören gern die vorletzte Jahrhundertwende herauf, Amerikaner und Russen, je auf ihre Art, den Sieg im Zweiten Weltkrieg. In Deutschland ist es die alte Bundesrepublik, in der Rückschau ein einziges, langes Wirtschaftswunder, ein Traumland des Friedens und des Überflusses, international geachtet, ein Produzent von Spitzentechnologie, ein Zentrum raffinierter Hoch- und Popkultur.
Auch für viele Bürger der DDR war die Bundesrepublik ein Traumland. Aus dieser Perspektive lässt sich wohl auch das überraschend gute Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in Sachsen erklären. Es gibt die Sehnsucht nach einem richtig deutschen Deutschland, erfolgreich und gemütlich, geachtet in der Welt, aber auch fern von ihr, überstrahlt von ihrem glänzenden Symbol: der D-Mark.
Keine Aufarbeitung für den Westen
Es ist eine besondere Wiedervereinigung in der BRD-Nostalgie, die sich da jetzt abzeichnet. Bisher war Bürgern der ehemaligen DDR nur die Ostalgie vorbehalten, ein wohliges Gefühl, fast schon erwünscht, denn es vergewissert die politische Elite ihres Sieges. Die DDR ist außerdem, wie es im Nachrichtenagenturdeutsch heißt, „aufgearbeitet“ – analysiert, zerteilt und sauber verpackt in konsumierbare Produkte der Verwaltung, der Wissenschaft und der Popindustrie. Wir haben dieses verlorene Land kennenlernen können, wenn wir wollten, sein Todeszeitpunkt wurde offiziell festgestellt, sogar mit Vorlauf, man konnte sich verabschieden: Goodbye, Lenin.
In Westdeutschland dagegen war die Erinnerung in Bezug auf die alte Bundesrepublik abseits profitabler Pop-Revivals vergleichsweise ein Randphänomen. Schließlich war in der Lebenswelt auch nach 1990 vieles so geblieben, wie es gewesen war. Man gewöhnte sich mit der Zeit an den scheinbar unvermeidlichen Niedergang, an die Jobverluste, den Verfall der Straßen und der Bahn, Hartz IV und an das lange Elend des Neoliberalismus.
Es galt einfach als unvermeidbar, für den Staat Opfer bringen zu müssen. Für die ostdeutschen Verlierer dieser Entwicklung gab es nicht nur Mitleid, sondern sogar eine eigene Partei, die deren Probleme formulierte. Die Westdeutschen mussten sich dagegen mit der Gewissheit zufriedengeben, zu den offiziellen Siegern in einem historischen Prozess zu gehören, den ausgerechnet die Gegenseite so offensiv postuliert hatte.
Wer kannte die BRD wirklich?
Und so fällt es heute überraschend schwer, darüber nachzudenken, wie viel von der alten Bundesrepublik, von ihren Machtmechanismen und eingeschliffenen Gewohnheiten noch im heutigen Deutschland steckt. Irgendwie scheint es sich nicht zu schicken, es könnte einen Schatten auf den großen Triumph am Ende des Kalten Krieges werfen, der Sieger hat nach vorne zu blicken. Und so gibt es die BRD nur im Zweierpack mit der wesentlich stärker präsenten DDR, als eine Art Kontrastverstärker im historischen Museum.
Die Selbstverständlichkeiten der ersten Bundesrepublik wurden nur gelegentlich in Frage gestellt, zu viele ihrer Leichen blieben im Keller, es bleibt das verklärte Bild eines D-Mark-Wirtschaftswunderlands, das sich selbst genug war und als perfekte Folie für die Träume von Parteien wie der AfD herhalten kann. Das rächt sich jetzt. So ist es kein Zufall, dass ausgerechnet ein historisches Werk über die BRD am meisten zum Verständnis der NSA-Enthüllungen beigetragen hat, Josef Foschepoths Buch über die Aktivitäten der westlichen Geheimdienste in der Bundesrepublik.
Erhellend ist es deshalb, weil es die Operationslogik der westlichen Dienste offenlegt, die sich schon immer an den Geboten des Grundgesetzes und der Menschenrechtscharta vorbeizulavieren wussten. Es ging damals ja um alles, der Feind war stark und tückisch, da konnte man sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. Der Warschauer Pakt mag verschwunden und in Ansätzen aufgearbeitet sein, aber die Nato existiert weiter, und mit ihr existieren ihre Geheimnisse, Befehlsketten und Defekte. Wie die Stasi funktioniert hat, wissen wir jetzt, es ist sogar erste Bürgerpflicht, es zu wissen.