Brauner Terror : Morde, auf einer DVD betrachtet
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Screenshot aus dem Video des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ Bild: dpa
Terror als Spaß und kichernder Wahn: Statt Bekennerschreiben aufzusetzen, haben Mörder ihren Fremdenhass auf einer DVD gefeiert. Für einen ersten Versuch der Täterbeschreibung reicht sie.
Es gab keine Bekennerschreiben, weil es sie nicht geben konnte. Den Tätern muss der objektive Irrsinn ihrer Handlungen eben doch irgendwie, in irgendeinem Winkel ihres Bewusstseins, klar gewesen sein. Deshalb schwiegen sie. Wen hätte man erreicht mit einem Bekenntnis, wie hätte man die Taten anderen erklären können? Hätte man verkünden sollen: Wir haben heute als Teil unseres Kampfes gegen das System der BRD die zweiundzwanzigjährige Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn durch aufgesetzten Kopfschuss liquidiert? Wir haben, um ein Zeichen gegen Überfremdung Deutschlands zu setzen, heute Enver Simsek, einen Blumenhändler aus Schlüchtern, mit zwei Schüssen getötet, wir haben den Kiosk-Besitzer Mehmet Kubasik am 4.April 2006 in seinem Laden in Dortmund erschossen, und noch mehrere andere dazu? Und wir haben das getan, weil wir Nationalsozialisten sind und eine neue Ordnung aufbauen wollen? Es ging nicht. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt müssen es gewusst haben.
Das einzige Bekenntnis, das angesichts dieses Wahns möglich war, konnte man in Auszügen vorgestern Abend bei Spiegel TV auf RTL sehen. Es ist ein Dokument des kichernden Irrsinns, der mordlustigen Albernheit, der infantilen Grausamkeit von ganz Erwachsenen. Das Maskottchen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, sein Identifikations-Kuscheltierchen, war der rosarote Panther, eine heiter-freche, trickreiche Figur, deren Abenteuer gereimt erzählt und von Swing-Musik begleitet werden. In der deutschen Fassung der Fernsehserie hieß er „Paulchen Panther“.
Aus den Zeichentrickfilmen hat man für die Bekenner-DVD Szenen herausgeschnitten und mit Bildern der Mordserie, der Waffen und der Opfer zusammenmontiert. Keinen Moment gibt es, soweit man die DVD derzeit nach den veröffentlichten Auszügen und Screenshots beurteilen kann, aus dem nicht das Lachen als einzige Tonspur klingen würde. Still triumphierend sieht man zu Beginn etwa den rosaroten Panther; neben ihm ist ein Bild aufgestellt: „Deutschlandtour. 9. Türke erschossen“. Auf dem Bild wiederum ein Foto des Opfers vor eine Karte, auf der die anderen Tatorte markiert sind.
Die einzige Weise, auf die sich das Trio Rechenschaft von seinen Taten geben konnte, war der vermutlich lässig und provokativ gemeinte Spaß, die komische Verkleinerung im Kontrast zur beispiellosen Brutalität der Liquidierungen. Als „Paulchen’s neue Streiche“ werden die Toten verbucht. „Das kleine Bömbchen“ wurde gezündet – gemeint ist das besonders perfide Nagelbomben-Attentat vom Juni 2004 in einer Kölner Straße, die ein Zentrum des türkischen Geschäftslebens ist. „Opfer liegt im künstlichen Koma“ liest man dazu. Die „taz“ berichtet von einer weiteren Sequenz, in der Paulchen Panther einem Polizisten eine Pistole an den Kopf hält und abdrückt. Wohl nur im Geist dieses Unernstes konnten Mundlos und Böhnhardt ihr eigenes Leben wegwerfen, als die Festnahme bevorstand.
Die Grimasse gehörte zu ihrem Terror
Vielleicht bringt der rosarote Panther weitere Spuren. Man fragt sich inzwischen, was es bedeuten mag, dass Peter Klose, der ehemalige NPD-Chef ausgerechnet von Zwickau, wo das Trio zuletzt lebte, bis vor kurzem bei Facebook mit dem Namen „Paul Panther“ angemeldet war und ein Bild des lustigen Terror-Maskottchens dazugestellt hatte. Es kann ein Zufall sein, aber es wäre schon ein sehr merkwürdiger.
Mag sein, dass Täter vom Schlage des NSU-Trios sich nur im Spiegel anschauen können, wenn sie die grimassierende Maske aufsetzten. Es gab im Terror oft schon eine merkwürdige Spaß-Grausamkeit; um 1970 skandierte man: „High sein, frei sein, Terror muss dabei sein.“ Aber das war ein psychologischer Seitenzweig, dagegen stand der bleierne, hochpolitisch gemeinte Ernst der Kommandoerklärungen der RAF. Jeder Terrorismus ist neu, keiner ist vorherzusagen.
Nur so viel scheint im Moment sicher zu sein: Das Lachen entlastet das Gewissen. In dem Maße, wie die Begründbarkeit, die vermeintliche, von Anschlägen schwindet, weil die Opfer nach einem Zufallsprinzip ermordet wurden und nicht als „Repräsentanten“ irgendeines „Systems“, in dem Maße, wie es keine Möglichkeit einer Rationalisierung der Taten mehr gibt, werden sie von den Mördern nur noch als „Streiche“ gesehen werden können.