„Blockupy“-Proteste : Ein Gefühl des Unbehagens
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Protest und Polizeipräsenz: Mit dem Grundgesetz in der Hand diskutieren Demonstranten mit der Staatsgewalt Bild: Schmitt, Felix
Christi Himmelfahrt in Frankfurt: Vatertag im kühlen Vorsommer und Tag zwei der verbotenen Blockupy-Proteste. Tausende Polizisten sind im Einsatz, ungefähr 150 Aktivisten werden festgenommen, gleichwohl bleibt es vorerst weitgehend friedlich.
Die kroatische Gemeinde strömt gerade aus dem Dom, Leute blinzeln in Eiscafés rund um den Römerberg in die Sonne, da hat die Polizei auf dem Paulsplatz ein paar hundert Meter weiter die Demonstranten schon locker eingekreist. Christi Himmelfahrt in Frankfurt, Feiertag, Vatertag, ein kühler Vorsommertag und Tag zwei der verbotenen Blockupy-Proteste. Noch Mittwochabend hatte das Bundesverfassungsgericht per Eilentscheid die weitreichenden Demonstrationsverbote bestätigt.
Auch der Rave, mit dem am Mittwoch fünf Protesttage in Folge hatten beginnen sollen, wurde kurzfristig untersagt. Nur die Großveranstaltung am Samstag ist den Kapitalismuskritikern geblieben. Am Donnerstagmittag ist der kleine Platz neben der Paulskirche trotzdem voller Menschen. An die vierhundert Demonstranten mögen es sein. Am Hauptbahnhof sollen sich zweihundert Kapitalismuskritiker versammelt haben, auf dem Uni-Campus im Stadtteil Bockenheim etwas weniger.
Auf dem Paulsplatz scheinen die meisten entweder ziemlich jung oder schon älter zu sein, als hätte sich hier eine Koalition aus Studenten und Rentnern zusammengefunden. Ein Clownspaar ulkt eher unwitzig herum, eine Stelzenfrau trägt Büchners Slogan „Friede den Hütten“ über die Menge und sagt, ja, Krieg den Palästen müsse auch sein, während Vertreter der Linkspartei irgend etwas in ein Megafon rufen, was man hinten nicht versteht und vorne beklatscht.
„Wir wollen die Millionär-Steuer“ heißt es auf dem Handzettel der Partei. „Das ist populistisch, klar“, sagt der junge Mann, der einen in die Hand gedrückt bekommt und danach gleich noch einen von einer Tierbefreiungs-Organisation. „Aber inzwischen denke ich, dass diese populistischen Aussagen einen wahren Kern treffen“, ergänzt er. Dass nur die unteren Einkommensschichten für die Krise bezahlten. Nein, er habe da keinen ideologischen Überbau oder so etwas, nur so ein Gefühl, ein Unbehagen, dass da etwas nicht stimme mit unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem.
Viele Demonstranten sind bewusst zu der Kundgebung gekommen, gerade weil sie verboten wurde. Das Komitee für Grundrechte hatte zu ihr aufgerufen. „180 Jahre Demokratiebewegung: Mai 1832 Hambacher Fest“ steht auf dem Plakat, das sich ein Mann um die vierzig umgebunden hat. Eine weißhaarige Frau reckt das Grundgesetz in die Höhe, das Mitglieder von Attac verteilen. „Das Demonstrationsverbot ist undemokratisch“, sagt sie.
Um sie herum stehen junge Leute mit Dreadlocks und großen Ohrlöchern, einer schlägt eine Trommel. Langsam fängt das Wechselspiel an von Polizeidurchsagen, dass diese Versammlung nicht genehmigt sei, und Pfeifkonzerten. Am frühen Nachmittag klettern die ersten mit der Regenbogen-Fahne auf Bäume, von irgendwoher wird ein Zelt über Köpfe weitergereicht. Die Polizisten, in voller Montur mit Schlagstöcken und Helmen am Gürtel, schließen die Reihen dichter.
„Wie im Krimi“
Wenn man den Paulsplatz verlässt, geht man durch leere Straßen, in deren Einsatzwagen nach Einsatzwagen steht. An der Katharinenkirche neben der Hauptwache wird ein Mann einer Leibesvisitation unterzogen, breitbeinig steht er an der Kirchenmauer, fünf Polizisten um ihn herum. Immer wieder bleiben Passanten stehen und heben ihre Handys um ein Foto zu machen. „Wie im Krimi“, sagt einer. Er habe überhaupt nichts übrig für Chaoten, aber die Verbote und die Polizeipräsenz, das sei doch alles ziemlich übertrieben. Andere halten die harte Linie der Politik für gerechtfertigt. „Ich bin froh, dass mich der Staat vor Krawallen wie am 31. März schützen will“, sagt eine junge Frau, bevor sie in der S-Bahnhaltestelle verschwindet.
Das Bankenviertel ist völlig abgesperrt. Unter der Erde fahren S-Bahnen und U-Bahnen durch gesperrte Geisterhaltestellen. Oben sagt der Beamte an der Absperrung: „Hier dürfen Sie nicht durch“. Nur Anwohner dürften passieren. „Da gibt es nichts zu sehn, eben weil wir total abgeriegelt haben“, ergänzt er. Ein Blick über seine Schulter zeigt gähnend leere Straßen.
Am späten Nachmittag hat die Polizei die Versammlungen am Hauptbahnhof und in Bockenheim aufgelöst. Nur eine Handvoll Blockupy-Aufkleber auf dem Boden erinnern in der Kaiserstraße noch an die Demo, und sechs Attac-Aktivisten. Eingekreist von Polizisten bekomme sie gerade ihre Personalausweise zurück und dürfen ihre Grundgesetze nicht weiter verteilen.
Der Paulsplatz ist inzwischen geräumt, nur ein paar Unverdrossene sitzen noch im Polizeikessel, und die Regenbogenfahne am Baum flattert träge im Wind. Vor der Polizeikette läuft immer noch die Stelzenfrau auf und ab, jetzt mit Sonnenbrand auf der Nase, und der Mann mit dem Hambacher-Fest-Plakat erklärt einer älteren Frau etwas über Finanzströme.
„Empört Euch“
Der harte Kern der Demonstranten ist inzwischen auf dem Römerberg eingekesselt, auf dem nun gut ein Dutzend Zelte stehen. Musik von The Doors weht zusammen mit dem Ruf „Empört Euch“ über den Platz. Richtig warm ist es geworden an diesem Frankfurter Feiertag. Die Abendsonne leuchtet auf den Fachwerkfassaden hinter der Justitia auf dem Brunnen, aber dass auch der verbotene Demonstrationstag für Blockupy bald zu Ende geht, spürt man, wenn man sich die doppelte Polizistenreihe anschaut und das geschäftige Hin und Her an den Einsatzwagen.
Gegen acht Uhr abends räumen die Beamten den Römerberg. Sie tragen Zelte weg und die Demonstranten, die partout nicht gehen wollen, einige klagen, dass Schmerzgriffe angewendet worden seien. Ungefähr hundertfünfzig Aktivisten sind im Laufe des Tages kurzfristig in Gewahrsam genommen worden. Und am Tag danach werden die Diskussionen darüber weitergehen, ob die Demonstrationsverbote nun gerechtfertigt waren oder eher die Gefahr schüren, dass es am Samstag zu einer Eskalation kommt.