Eberhard Schockenhoff ist tot : Bioethik mit Kante
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Eberhard Schockenhoff 1953 - 2020 Bild: KNA
Der Theologe Eberhard Schockenhoff war eine Stimme der Vernunft in den Ethik-Debatten der Gegenwart. Am Samstag ist er im Alter von 67 Jahren gestorben.
Einem Diktum des erst kürzlich verstorbenen Theologen Klaus Berger zufolge sind die Länder deutscher Sprache theologiefreie Zone. Zweifellos verliert die Theologie an gesellschaftlicher Relevanz. Und Gebildete unter ihren Verächtern sind rar. Dass dies nicht so sein muss, dafür stand Eberhard Schockenhoff. Theologisch fundiertes Argument, übersetzt in säkulare Sprache, wie es Jürgen Habermas für den der Wahrheitsfindung dienenden Diskurs einforderte, war seine Stärke – in allen bioethischen Streitfällen. In den die Gesellschaft aufrührenden Debatten der Medizinethik war er weithin geachteter Wissenschaftler, Ratgeber und nicht zuletzt viel gefragter Gesprächspartner in der Politik. Die abwägende Reflexion war seine Sache, ob es um die Anerkennung des Hirntodes als Tod des Menschen, Gentherapie oder die Priorisierung im Gesundheitswesen ging. Er war Mitglied im Nationalen Ethikrat wie auch über zwei Amtszeiten im später als Deutscher Ethikrat firmierenden Gremium.
Zeitgenössische Bioethik erschöpft sich nicht selten im Moderieren des Diskurses. Resultate sind dann vorhersehbar: Das Recht, die Angelegenheiten privat zu regeln, sticht. Der israelische Bioethiker Michael Barilan kritisierte dies vor Jahren und sprach von der ultimativen Trumpfkarte, dem „right to privacy“. Dann erübrigen sich Debatten.
Eberhard Schockenhoff hielt dagegen: Wenn ein „right to privacy“ stets den Vorrang haben soll. dann stehen Menschenrechte auf dem Spiel. So konnte der katholische Theologe Beachtenswertes über Friedensethik, Stammzelforschung, Sterbehilfe schreiben. Und schon vor mehr als einem Jahrzehnt befasste er sich – avant la lettre – mit dem Missbrauch von fake news in einem Buch zur Ethik der Wahrheit. Sein grundlegendes Werk zur Ethik des Lebens bleibt wegweisend. Lange Jahre war er Herausgeber der Zeitschrift für Medizinische Ethik, die noch immer das am weitesten verbreitete akademische Organ deutscher Sprache für einschlägige Fragen ist.
Barmherzigkeit für Geschiedene
Auch in kirchlichen Debatten pflegte Eberhard Schockenhoff eine klare Sprache, so etwa in seiner Abhandlung zum kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Schockenhoff erwartete mehr Barmherzigkeit von der Institution. Im Blick auf die anstehenden Diskussionen, die in der katholischen Kirche unter dem Schlagwort eines synodalen Weges geführt werden, ist man gespannt auf das fast vollendete Buch zur Ethik der Sexualität. Man darf hoffen, dass einer Veröffentlichung trotz des unerwarteten Todes des Autors nichts entgegensteht.
Nach Studien der Theologie in Rom und Tübingen und Promotion bei Alfons Auer wurde Eberhard Schockenhoff bei dem späteren Kardinal Kasper in Tübingen habilitiert. Er lehrte in Regensburg und hatte seit 1994 den Lehrstuhl für Moraltheologie inne. Der Priester und musikbegeisterte Menschenfreund vermochte auf vielen Klaviaturen zu spielen. Am Samstag ist Eberhard Schockenhoff nach kurzer Krankheit im Alter von 67 Jahren gestorben.