Milena Jesenskás Briefe : Mein Gott, wie werde ich diesen Hass nur los?
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Gedanken einer Verzweifelten: Milena Jesenskás Briefe Bild: © LEEMAGE / images.de
Was für ein großartiger Fund: Milena Jesenskás Briefe aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Es sind hellsichtige Zeugnisse von Hunger, Leid und Elend und zugleich einer späten Vater-Tochter-Versöhnung.
Es war eine Kette von Zufällen und glücklichen Umständen, die zu dem Fund von vierzehn Briefen Milena Jesenskás aus den Jahren 1940 bis 1943, geschrieben in den Gefängnissen in Dresden, Prag und dem Konzentrationslager Ravensbrück führte. Entdeckt hat sie die junge polnische Bohemistin Anna Militz dort, wo sie niemand hätte vermuten können: in der Staatssicherheitsakte von Jaromír Krejcar, Milenas geschiedenem Ehemann und dem Vater ihrer gemeinsamen Tochter Jana, genannt „Honza“.
Eine Diplomarabeit über sie war der Grund, warum Anna Militz die Akte studierte. Als sie auf einer Folie Kopien von deutsch geschriebenen Briefen mit der Unterschrift Milenas und das Wort Ravensbrück sah, brauchte sie eine Weile, bis ihr aufging, was sie da gerade gefunden hatte. Zum Schluss entdeckte sie noch einen Brief von Margarete Buber-Neumann an Professor Jan Jesenský, den Vater Milenas, geschrieben unmittelbar nach ihrem Tod im Mai 1944.
Vom Zufallsfund in die Geheimakte
Dies war das glückliche Ende einer Geschichte, die vor sechzig Jahren begann. Damals, genau am 1.Februar 1950, ließ eine junge Frau, wohl Jana Krejcarová selbst, in einem Prager Gasthaus eine Mappe mit Dokumenten liegen. Als sie nicht nach ihnen suchte, gab der Gastwirt den Fund bei der nächsten Polizeistelle ab. Englische Briefe und der Name Krejcar, auf den sie bei der Durchsicht der Mappe stießen, kamen den wachsamen Polizisten verdächtigt vor - ein Grund, sie an die Bezirksdienststelle der Staatssicherheit weiterzuleiten.
Denn Jaromír Krejcar war als Republikflüchtling zur Fahndung ausgeschrieben. So kamen auch die Briefe von Milena Jesenská mit den anderen Dokumenten in die Geheimakte von Jaromír Krejcar.
Um Platz zu sparen, hatten die Sicherheitsbeamten das gefundene Material einfach und nicht sehr sorgfältig abfotografiert, eine Folie mit dem Film in die Akte gelegt und die Originale vernichtet. Trotz dieses barbarischen Vorgehens - die Sicherheitsbeamten waren keine gelernten Archivare - können wir vom Glück reden, dass die Briefe wenigstens in Fotokopien erhalten geblieben sind. Hätte Jana Krejcarová die Mappe nicht in der Gaststätte liegen gelassen, würden sie heute wohl nicht mehr existieren.
Die bislang verlorene Stimme
Die vierzehn Schriftstücke stellen nur einen Bruchteil der Briefe dar, die Milena Jesenská in den fünf Jahren Haft an ihren Vater und die Tochter geschrieben hat. Sie fülen wenigstens zum Teil eine Lücke, denn bis jetzt waren nur zwei Briefe aus der Haftzeit bekannt: ein im Januar 1940 auf einem Stück Stoff geschriebener Kassiber an Rokyta Illnerová, Jesenskás frühere Mitarbeiterin bei „Národní listy“, den sie in der schmutzigen Wäsche, die sie aus der Haftanstalt abholte, verpackt hatte, und ein ungefähr aus der gleichen Zeit stammender Brief an die Honza, der allerdings nur in einer Abschrift existiert.
Über Milenas Standhaftigkeit und die Achtung, die sie in Ravensbrück genossen hat, allerdings auch über die Anfeindungen dogmatischer Kommunistinnen, gibt es viele Zeugnisse, nicht zuletzt auch das Buch von Margarete Buber-Neumann. Milenas eigene Stimme aus dieser Zeit fehlte aber - bisher.