Im Gespräch: Georg Ringsgwandl : Auch wilde Hunde trinken irgendwann Kamillentee
- Aktualisiert am
War es nicht Michel Houellebecq, der sagte, gegen viele Rockstars seien Bankdirektoren integre Persönlichkeiten?
Ja, den Satz hat er mir vorweggenommen, der Bazi. Der bringt es auf den Punkt. Bei einem Banker weiß ich wenigstens, dass er mein Geld will. Aber Künstler gelten ja gemeinhin als bessere Menschen, und unter den prominenten Vertretern der Zunft gibt es kaum noch einen, der nicht penetrant Gutes tut und eine Stiftung nach der anderen gründet - für verprügelte Kinder oder für Frauen, denen man die Haare falsch geschnitten hat. Bodenlose Heuchelei! In der Kabarett- und Kleinkunstszene ist der Widerspruch zwischen Schein und Sein besonders krass: Da gaukeln uns manche Leute vor, sie wären Anwälte der Kleinen, wollten die Welt verbessern und hätten einen künstlerischen Anspruch; doch in Wahrheit geht es ihnen nur darum, noch mehr Geld zu scheffeln. Houellebecq hatte recht. Und mein Vater auch.
Wie äußert sich diese Raffgier konkret?
Zum Beispiel darin, dass so eine Kleinkrämerseele dich anruft und wissen will, was man bei einem bestimmten Veranstalter verdient, und wenn du dann einen bestimmten Betrag sagst, kriegst du zu hören: „Das mach ich nicht, das ist mir zu wenig.“ Ein besonders schamloses Subjekt hat mich mal am Telefon gefragt, wie viel ich denn meiner Band bezahlen würde. Ich nannte die Summe und sagte, ich hätte meine Musiker stets auch am Gewinn beteiligt und wäre immer gut damit gefahren, sie anständig zu entlohnen. Da schnauzte mich die Person am anderen Ende der Leitung an: „Spinnst du? Du verdirbst ja die Preise! Am Ende wollen alle Musiker so viel Geld!“ - „Ach“, meinte ich, „und dann musst du verhungern?“ - „Eins sag ich dir“, bellte diese jämmerliche Figur in den Hörer, „wenigstens kann mir keiner vorwerfen, dass ich jemals einem Musiker zu viel gezahlt hätte!“
Im Ernst?
Ohne Witz. Aber so was regelt sich mit der Zeit von selbst: Irgendwann sieht man es dir an, was für eine miese Ratte du bist; es spricht sich rum, und niemand will mehr mit dir arbeiten. Hättest du mal besser auf ein paar Tausender verzichtet! Jeder sogenannte Künstler sollte sich überlegen: Musst du dich unbedingt für eine peinliche Möbelhausreklame zum Deppen machen? Brauchst du wirklich noch ein Auto und ein größeres Haus? Magst du nicht mal in einem vernünftigen Theaterstück spielen, anstatt für McDonald’s zu werben und in läppischen Filmen deine Standardschnute zu ziehen? Natürlich könntest du in einer idiotischen Fernsehserie auftreten, um noch bekannter zu werden und noch mehr Platten zu verkaufen. Aber solltest du nicht lieber ein paar gescheite Songs schreiben? Stell dir vor, du hast viele Monate deiner kostbaren Zeit dafür verschwendet, einen beschissenen Bierzelt-Hit zu fabrizieren - und dann stirbst du kurz darauf, ohne dass du die Kohle überhaupt ausgeben konntest. Da beißt du dir doch noch in den Arsch, bevor du ins Gras beißt!
Was würden Sie denn tun, wenn Sie nur noch ein Jahr zu leben hätten?
Ich würde versuchen, noch ein Buch oder ein Theaterstück zu schreiben. Denn ich hätte durchaus noch ein paar Embryonen in der Lafette. Zehn bis zwölf Jahre brauchte ich, um all die Ideen auszuarbeiten, die mir im Kopf herumspuken. Ich werkele einfach weiter an meinen Projekten, solange mein Geist das zulässt - vorausgesetzt, das interessiert noch jemanden. Wenn nicht, dann verabschiede ich mich ohne Eitelkeit und suche mir etwas anderes. Wer weiß, vielleicht lege ich auf meine alten Tage noch einen japanischen Garten an!
Zur Person
Georg Ringsgwandl kommt am 15. November 1948 in Bad Reichenhall zur Welt, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Nach Abschluss seines Medizinstudiums 1975 arbeitet er zunächst als Assistenzarzt im Münchner Klinikum Großhadern, später als Oberarzt in der Kardiologie am Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Nebenbei, seit 1976, tritt er mit musikalischen Kabarettprogrammen auf Kleinkunstbühnen auf. 1986 erscheint seine erste Schallplatte „Das Letzte“, 1987 wird er mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet, 1988 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis.
Mit 45 Jahren gibt Ringsgwandl den Arztberuf auf, um sich fortan ausschließlich künstlerischen Tätigkeiten zu widmen. Veröffentlicht hat er bis heute rund ein Dutzend Tonträger, etwa „Staffabruck“ (1993) oder „Untersendling“ (2009), diverse Musiktheaterstücke, darunter „Die Tankstelle der Verdammten“ (2004) und „Der varreckte Hof“ (2012) sowie ein Buch mit Kurzprosa „Das Leben und Schlimmeres. Hilfreiche Geschichten“ (2011). Unlängst ist seine neue CD „Mehr Glanz!“ erschienen, die er derzeit mit seiner Band auf einer knapp 50 Termine umfassenden Konzerttournee präsentiert.