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Im Gespräch: Constanze Kurz und Frank Rieger : Der neue Kollege macht nur Überstunden

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Noch ist er im Käfig. Zukünftig arbeiten Roboter an der Seite des Menschen. Im Büro lassen sich die Maschinen schon heute kaum noch abschütteln Bild: plainpicture/Johner

Roboter arbeiten längst mit, nun werden die Maschinen wirkliche Kollegen. Die Vermessung der Arbeitswelt dient der Sicherheit. Gefahrlos ist sie allerdings nicht.

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          Frau Kurz, Herr Rieger, Sie beschreiben die Automatisierung der Arbeitswelt als Folge ökonomischen Denkens. Der Titel Ihres Buches, in dem Sie von Ihrer Reise zu Bauernhöfen und Fabriken berichten, lautet aber „Arbeitsfrei“, nicht „Arbeitslos“.

          Frank Rieger: Wir halten uns an Stanislaw Lem: Arbeiten, die von Maschinen getan werden können, sollten von Maschinen erledigt werden. Viele Berufe wurden automatisiert, denen man heute nicht nachtrauern muss, die zumindest hierzulande auch nicht mehr akzeptiert würden.

          Constanze Kurz: Wir haben durchaus eine optimistische Grundhaltung und wenden uns gegen Technikdeterminismus. Der Wandel der Arbeitswelt kann gestaltet werden, und das sollten wir auch tun. Bislang ist die Erleichterung menschlicher Arbeit aber allein ein Weg der Kostenreduzierung.

          Rieger: Die Menschenfreundlichkeit für diejenigen, die noch arbeiten, fällt eher nebenbei ab.

          Sie waren auf Höfen, in denen 45.000 Hühner leben, aber fast niemand mehr arbeitet.

          Rieger: Auf dem Hühnerhof war es eine Person und in Teilzeit ein Landarbeiter. Das hat auch uns überrascht.

          Und das, obwohl der Hof das Futtermittel und alles Notwendige für die Biogasanlage, die den Hof mit Energie versorgt, selbst anbaut.

          Rieger: Ja, der Arbeiter wirkte nicht überarbeitet, auch wenn zu sehen war, dass er einiges zu tun hatte.

          Sie besuchten auch eine Mühle. Um tausend Tonnen Getreide am Tag zu mahlen, braucht man fünf Müller.

          Kurz: Die sitzen in einer Steuerzentrale und arbeiten in vier Schichten. Es sind dort allerdings noch mehr Leute beschäftigt, die sich um Qualitätssicherung kümmern und bemerkenswert viel forschen.

          Der ehemalige Wirtschaftsminister Michael Glos, der gerade mit 68 Jahren aus dem Bundestag ausschied, war Müllermeister. Als er jung war, brauchte man für tausend Tonnen Getreide am Tag noch 400 Müller. Das ist eine Arbeitergeneration her.

          Kurz: Der Wandel der Arbeitswelt ging erstaunlich schnell. Bevor die Müller Kaufleute wurden, wurden sie noch Ingenieure, um ihre Maschinen selbst zu warten. Dafür ist die Technik heute jedoch zu kompliziert.

          Nimmt man diese Zahlenwerke zusammen, heißt das doch: Die Automatisierung der Arbeitswelt ist abgeschlossen.

          Rieger: Zumindest in der Landwirtschaft ist es so. Wir haben kaum jemanden getroffen, der meinte, dass noch mehr ginge.

          Warum ist der Stand der Entwicklung so wenig bekannt?

          Rieger: Die Vorstellung, dass etwas nur Menschen könnten, ist sehr verbreitet. Wir halten uns für individuell und unersetzbar. Die Einsicht, dass der eigene Arbeitsplatz möglicherweise austauschbar ist, ist nicht besonders groß. Die Einsicht darin, wie sehr Arbeitsprozesse heute von Effizienzanforderungen getrieben sind, fällt schwer. Die meisten Menschen ignorieren die ökonomischen Zusammenhänge der Dinge, mit denen sie zu tun haben.

          Kurz: Das ist noch deutlicher bei geistiger Arbeit, in der Kreativität, Individualität und Improvisationstalent zählen. Es gibt jedoch einen klaren Zusammenhang. Je besser der Mensch, der einen Job ausfüllt, ausgemessen werden kann, desto eher kann die Tätigkeit automatisiert werden.

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