Einspruch exklusiv : Der Kampf um gestohlene Kunst
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„Frau im Sessel“ und „Blumenstrauß“ von Hans Purrmann Bild: ddp Images/ VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Wer eine Sache zehn Jahre gutgläubig im Besitz hat, wird Eigentümer - auch, wenn sie dem vorigen Eigentümer gestohlen worden war. Dieser Paragraf sorgt gerade bei gestohlener Kunst für Kontroversen.
Kunst und Kultur bereichern nicht nur den Alltag, sondern beschäftigen mit einiger Regelmäßigkeit auch die Gerichte. Erst im Februar etwa hatte der BGH in zwei Verfahren zu urteilen, die zerstörte Kunstwerke betrafen (Az. I ZR 98/17 u. I ZR 99/17). Am Freitag folgte sodann sein Urteil zum Umgang mit gestohlener Kunst (Az. V ZR 255/17).
Dem Urteil liegt ein Streit um zwei Ölgemälde zugrunde. Angeblich stammen die "Frau im Sessel" (1924) und der "Blumenstrauß" (1939) von dem deutschen Maler Hans Purrmann (1880-1966), dessen Schaffen durch die französischen Impressionisten Henri Matisse, Paul Cezanne und Auguste Renoir geprägt war. Als seine Werke 1937 in der Ausstellung "Entartete Kunst" durch die Nationalsozialisten gezeigt wurden, verließ der Maler Deutschland und schuf in Florenz einen Treffpunkt für Künstler, die ebenfalls unter den Nationalsozialisten litten und Deutschland verlassen mussten oder wollten. Nach der Besetzung Italiens durch die Nationalsozialisten floh Hans Purrmann 1943 in die Schweiz, in der er nach Zwischenstationen in Deutschland bis zuletzt lebte und arbeitete. Seine Werke sind heute unter anderem vertreten in der Münchner Pinakothek der Moderne, dem Sprengel Museum in Hannover oder dem Kunstmuseum Basel.
Der nicht kunstbewanderte beklagte Autotechnik-Großhändler hatte von alldem keine Kenntnis. Er trug vor, die Ölgemälde mutmaßlich 1986 oder 1987 von seinem Stiefvater geschenkt bekommen zu haben. Sein Stiefvater habe die Ölgemälde wiederum von einem Antiquitätenhändler erworben.
Der Kläger ist der Enkel Hans Purrmanns. Seinen Angaben zufolge handelt es sich um die Originalgemälde seines Großvaters, die dieser seiner Tochter, der Mutter des klagenden Enkels, geschenkt habe. Die Ölgemälde seien jedoch 1986 bei einem Einbruch aus dem elterlichen Wohnhaus entwendet worden. 2009 wandte sich die Tochter des beklagten Autotechnik-Großhändlers an ein Luzerner Auktionshaus, um die beiden angeblich von Hans Purrmann stammenden Ölgemälde versteigern zu lassen. Ein Mitarbeiter des Luzerner Auktionshauses schöpfte jedoch Verdacht und wandte sich an die Polizei. Nachfolgend wurden die Ölgemälde im Rahmen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt. Nachdem das Ermittlungsverfahren jedoch in die Leere führte, hinterlegte die Staatsanwaltschaft die Ölgemälde 2010 bei einem Amtsgericht.
Der Kläger verlangte daraufhin erfolglos vor dem Landgericht Ansbach und in der sich anschließenden Berufung vor dem OLG Nürnberg die Freigabe der hinterlegten Ölgemälde. Das OLG Nürnberg war der Ansicht, der Kläger habe weder bewiesen, dass es sich um Originale von Hans Purrmann handele, noch dass diese seiner Mutter geschenkt worden seien. Jedenfalls habe der Beklagte Eigentum an den Ölgemälden durch das Rechtsinstitut der Ersitzung erworben.
Die in § 937 BGB geregelte Ersitzung sieht vor, dass, wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, das Eigentum hieran erwirbt. Ein solcher Eigentumserwerb ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Erwerber zu Beginn des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.
Die Beweislastverteilung ist folglich im Rahmen des Eigentumserwerbs durch Ersitzung der maßgebliche Faktor. Grundsätzlich muss der Erwerber seine zehnjährige Eigenbesitzzeit beweisen. Die Beweislast für seine Bösgläubigkeit trifft hingegen denjenigen, der die Ersitzung bestreitet. Der BGH bestätigt nun, dass diese Beweislastverteilung auch für den Fall gilt, dass das Kunstwerk seinem früheren Eigentümer gestohlen wurde. Er betont, dass der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der Ersitzung gerade in Ansehnung gestohlener Sachen geschaffen habe. Er habe bewusst entschieden, dass der gute Glaube des zehnjährigen Eigenbesitzers nicht Voraussetzung für eine Ersitzung sei. Lediglich der durch den früheren Besitzer nachgewiesene böse Glaube könne die Ersitzung zu Fall bringen. Hierfür reiche aus, wenn die behaupteten Umstände des angeblichen Erwerbes des Eigenbesitzers durch den früheren Besitzer widerlegt werden.