Berlinale : Die Fastenzeit des Kinos
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Der Eröffnungsempfang und das Kanzleramt
Sie haben sich vermutlich noch nie gefragt, was wohl die FFA sein könnte oder gar die SPIO. Macht nichts. Oder was diese Akronyme mit der Eröffnungsparty der Berlinale zu tun haben könnten. Die Antwort ist ganz einfach. Die Funktionäre der Filmförderungsanstalt und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft hätte man beim Eröffnungsempfang, wenn man sie erkannt hätte, an dem verklärten Lächeln identifiziert, das ihnen neue Rekorde ins Gesicht gemalt hatten. Fast 1,2 Milliarden Umsatz, fast 140 Millionen Besucher, dazu „höchster deutscher Marktanteil seit Erfassung der Besucherzahlen“ hatte die FFA für das Jahr 2015 verkünden dürfen. Und SPIO-Präsident Alfred Holighaus hatte wie ein Feldherr vor der Schlacht erklärt: „2016 wird das Jahr der Ideen und der Entscheidungen für den deutschen Film und die deutsche Filmwirtschaft.“ Ob er, der selber einmal Kritiker war, das glaubt, ob er es auch geschrieben hätte? Ob es hilft?
Mit wem man auch sprach, einig war man sich schnell, dass eine solche Supersuper-Bilanz, wie sie Noch-Bayern-Trainer Josep Guardiola auch nach dürftigeren Spielen gerne zieht, nahezu nichts über die Qualität der Filme verrät, über deren Vielfalt, Mut, Einfallsreichtum oder visuelle Kraft; und dass sie auch nicht erklärt, warum bei solch titanischer Leistungsfähigkeit in diesem Jahr nur ein deutscher Film im Wettbewerb auftaucht. Aber weil einem bei diesem Thema nicht erst in diesem Jahr rasch der Gesprächsstoff ausgeht, schaute man lieber, wer sich denn am Abend der Eröffnung für ein bisschen Glamour zuständig fühlte. Man musste sich nicht lange umschauen, um die übliche Zusammensetzung des Publikums bestätigt zu finden, die fernsehbekannten Gesichter, die empfangsgestählten Funktionäre und ein paar Gäste aus der Außenwelt. Und erlebte, dass „Veggie-Dieter“, wie manche den Festivalchef schon nennen, es sehr ernst meint mit der fleischlosen Berlinale.
Der Glamour dagegen, der meist weiß, wo er hinwehen muss, hatte sich einen anderen Ort und Termin gesucht: das Kanzleramt. Am Freitagvormittag saß dort das Ehepaar Clooney bei der Kanzlerin, man sprach über Flüchtlingspolitik. Eine Stunde lang. Das ist natürlich hilfreich, edel und gute PR für alle Beteiligten - und löst nebenbei auch die absurde Vorstellung aus, Obama empfange Til Schweiger im Weißen Haus.
Peter Körte
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Ein Abend in der Welt von Fritz Lang
Dass wir alle eine Geschichte haben, dass auch das Kino, das so viele Geschichten erzählt, seine eigene Geschichte hat - das versteht sich von selbst. Aber es ist doch etwas anderes, zu erleben, wie eines der Monster aus der Tiefe des Kinos wiederaufersteht, wie es an die Oberfläche unserer Tage tritt. Im Friedrichstadtpalast, am Freitagabend, war es Fritz Langs Stummfilm „Der müde Tod“ von 1921, neu vertont, koloriert, digital restauriert: ein Monument, ein Klassiker, ein Stück Filmerbe. Das alles aber war in dem Augenblick egal, als die ersten Bilder über die Leinwand zogen und die Musik einsetzte, das Drama einer Liebe, die im Tod nicht enden will, die Geschichte einer unmöglichen Passion.