
Berlinale-Wettbewerb : Endstation Sehnsuchtsblick
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Darauf haben Dresen und Kohlhaase verzichtet. Ihr Film ist übersichtlich, weil er mit Ausnahme der Rahmenhandlung und von in regelmäßigen Abständen eingeschobenen Reminiszenzen an die DDR-Schulzeit der fünf Jungen streng chronologisch erzählt. Dadurch greift jedoch wieder das narrative Prinzip der Überraschung, das Meyer konsequent ausgeschaltet hat, indem er auf jeder Zeitebene immer auch die Reflexion über das Geschehen aus späterer Sicht miteinbezieht. Deshalb bricht sein Erzählen am Schluss auch in einem Moment der Hoffnung ab, ohne damit ein Happy End zu bieten, während Dresens Film eine ganz andere Situation als Finale wählt. Meyers Verfahren ist literarisch schlüssig, Dresens ist es filmisch. Jede Romanverfilmung bringt das Drama mit sich, den Figuren, die unsere Phantasie bevölkert haben, konkrete Gesichter zu verleihen. Angesichts dessen, dass es in der jüngeren deutschen Literatur kein mit Meyers Roman vergleichbares Werk gibt (außer seinem eigenen „Im Stein“), ist es nur konsequent, dass Dresen in den Hauptrollen zum Großteil unbekannte junge Schauspieler besetzt hat.
Meisterhafte Inszenierungen
Noch am markantesten bereits ins Gedächtnis des Publikums eingegraben sein dürfte Joel Basman, der Danis ältesten Freund Mark verkörpert – gerade erst hat er in Burhan Qurbanis „Wir sind jung, wir sind stark“ eine sehr ähnliche Rolle gespielt, und der Vergleich dieser beiden zur selben Zeit in Ostdeutschland angesiedelten Filme ist faszinierend. „Als wir träumten“ gewinnt ihn gleichwohl deutlich, denn hier ist das bessere Ensemble am Werk: Merlin Rose als sensibler Dani, Julius Nitschkoff als ungebärdiger Boxer Rico, Marcel Heuperman als grobschlächtiger Pitbull und Frederic Haselon als bebrillter Paul spielen wie um ihr Leben – so eben, wie Meyers Figuren sind.
In Paul, der zwei Figuren des Romans in sich vereint, haben Kohlhaase und Dresen ein Abbild Clemens Meyers geschaffen (auch wenn der Autor selbst einen Cameoauftritt als Polizist absolviert). Allerdings ist es Dani, der im Zentrum des Ganzen steht, und er ist auch die einzige komplexe Figur. Wenn er in der meisterhaften Inszenierung der besten Romanszene seine Freunde Mark und Rico aus Feigheit verrät, gelingt es Dresen und seinem Kameramann Michael Hammon, Danis eigene Verzweiflung darüber deutlich zu machen. Auch so etwas hat man im deutschen Kino lange nicht mehr gesehen – genauer gesagt, nicht mehr seit Fatih Akins „Gegen die Wand“, dem Dresens Film ästhetisch einiges verdankt. Aber Sehnsuchtsblicke wie die von Dani auf das von ihm vergötterte Sternchen (Ruby O. Fee) kann überhaupt niemand so gut in ein Drehbuch schreiben wie Wolfgang Kohlhaase.
„Als wir träumten“ würde jedes Festival der Welt zieren. Weil es sich um Weltklassekino handelt. Am 26.Februar kommt der Film dann in die regulären Kinos.