Tykwer trifft Weinstein : Mein Treffen mit Harvey
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Tom Tykwer gelangte über Umwege ins Filmgeschäft: „Rosa sagte: Was schreibst du denn da?“ Bild: EPA
Nur keine Kompromisse, auch wenn der Pate sich vor einem aufbaut: Tom Tykwer plaudert aus dem Nähkästchen.
Der Jurypräsident, meint man, ist während der Berlinale schon mit seinem normalen Programm völlig ausgelastet: drei bis vier Filme täglich schauen und anschließend stundenlange Diskussionen mit den anderen Jurymitgliedern. „Ach, das ist wie Urlaub“, sagt Tom Tykwer, als er am Sonntagmorgen – Kaffeetasse noch in der Hand – die Bühne des Hebbeltheaters betritt. 90 Minuten hat er sich Zeit genommen, um Fragen junger Filmemacher aus aller Welt zu beantworten und ein paar Anekdoten zu erzählen. Das Gespräch findet im Rahmen der Berlinale-Talents-Reihe statt, die junge Talente zu den Filmfestspielen einlädt. Das Haus ist trotz der frühen Stunde voll bis auf den letzten Platz.
Das Publikum will natürlich vor allem wissen, wie man das schafft, ein berühmter Regisseur zu werden, dessen Filme erfolgreich auf Festivals laufen oder auf dem Pay-TV-Sender Sky, wie gerade Tykwers Serie „Babylon Berlin“. Tykwer stellt erst einmal mit trockener Selbstironie klar, dass er gar nicht klassisch ins Filmgeschäft eingestiegen sei. Mit Anfang zwanzig bewarb er sich vergeblich an Filmhochschulen. Drehbuch um Drehbuch sandte er erfolglos ein. Dann begegnete er Rosa von Praunheim, der ihm den wichtigsten Rat für den Start seiner Karriere gab: „Rosa sagte: ‚Was schreibst du denn da? Das sind alles Dinge, von denen du keine Ahnung hast.‘“
Richtig gutes Essen am Set
Das nächste Drehbuch wurde besser, das ZDF nahm es für das „Kleine Fernsehspiel“ an. „Schreibt nicht, um euren Eltern zu gefallen“, sagt Tykwer. „Und besorgt richtig gutes Essen, wenn ihr kein Geld habt, um jemandem am Set zu bezahlen.“ Großes Lachen im Publikum, einige schreiben fleißig „Gutes Essen!“ in ihre Notizblöcke.
Natürlich kommt man dieser Tage auch auf der Berlinale nicht an Harvey Weinstein vorbei. Tom Tykwer hat seine eigene Weinstein-Story, wenn die auch weitaus unterhaltsamer ausfällt als die seiner Filmkolleginnen. Sie klingt wie eine Actionszene aus einem seiner Filme. Tykwer lernte Weinstein 1998 in Toronto kennen, als sein Film „Lola rennt“ dort lief. Das Publikum liebte ihn, auch Miramax, der Verleih der Weinstein-Brüder, hatte großes Interesse. „Wir entschieden uns für den Verleih Sony Classic. Die Miramax-Mitarbeiter waren verzweifelt: ‚Aber Harvey kommt morgen, der macht uns alle kalt!‘“ Weinstein lud Tykwer und seinen Produzenten Stefan Arndt in seine Hotelsuite ein und machte ihnen eine Szene im Stil des „Paten“. „Also reagierte ich dementsprechend, baute mich vor ihm auf und sagte: ‚So reden Sie nicht mit meiner Familie!‘“ Immerhin, so Tykwer, hätten sie ihre Würde dabei bewahrt – und die Machtverhältnisse ein wenig zu ihren Gunsten verschoben.
Weinstein kam von der Idee ab, „Lola rennt“ haben zu müssen, und bot stattdessen an, Tykwer Drehbücher für sein nächstes Projekt zu schicken. Das erste war „Highlander 4“. Tykwer lehnte ab. Dann schickte Weinstein das nächste Drehbuch: „Heaven“, geschrieben von Krzysztof Kieslowski. „Das war die wichtigste Lektion für mich: Macht nichts, woran ihr nicht glaubt oder mit dem ihr euch nicht wohl fühlt. Geht keine Kompromisse ein!“
Hinweis: Wir hatten zuvor fälschlicherweise angegeben, „Babylon Berlin“ laufe bei dem Streamingdienst Netflix. Der Fehler wurde nun korrigiert.