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Berlinale-Wettbewerb : Binoche und Theron in Filmen des Wettbewerbs

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Journalistenpaar auf Wahrheitssuche: „Country of My Skull”

Journalistenpaar auf Wahrheitssuche: „Country of My Skull” Bild: Berlinale

Eigentlich sollte man annehmen, daß Festivals für Filme da sind. In Berlin hat man eher den Eindruck, daß Festivals dazu da sind, Stars in die Stadt zu bringen, und daß die Filme nur schmückendes Beiwerk sind.

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          Eigentlich sollte man annehmen, daß Festivals für Filme da sind und Stars ihnen lediglich die Krone aufsetzen. Man hat aber eher den Eindruck, daß Festivals wie die Berlinale hauptsächlich dazu da sind, Stars in die Stadt zu bringen, und die Filme nur wie schmückendes Beiwerk wirken.

          Kommt dieser, kommt jene, das sind die Fragen, auf die alles hinausläuft. Wenn Filme aus Kroatien oder Schweden im Wettbewerb laufen, verlieren sich an den Absperrungen ein paar Schaulustige, wenn aber Stars dabei sind, dann ist schon an der rückwärtigen Garagenausfahrt des Hyatt der Teufel los. Die paar Meter vom Hotel über den roten Teppich in den Berlinale-Palast sind es, auf denen die Stars durch ihre Präsenz die Existenz des Festivals überhaupt erst beglaubigen.

          Juliette erscheint

          Da taucht dann Juliette Binoche auf, bildschön wie eh und je und leichtsinnig dünn gewandet, wird von Dieter Kosslick empfangen, Blitzlichtgewitter, Autogrammgeschrei, Beifall im Saal, das ganze Hurra, mit dem das Kino die Seinen umfängt, und dann sieht man den Film und weiß, daß er nur deswegen im Wettbewerb gelandet ist, damit Juliette Binoche begrüßt werden kann und das Festival jenes Futter bekommt, ohne das es verhungert. Anders ist nicht zu erklären, was "Country of My Skull" auf der Berlinale verloren hat. Der Film wirkt so hölzern und unbedarft wie eine Schüleraufführung, und geradezu erschütternd daran ist, daß sein Regisseur John Boorman heißt, der mal Filme wie "Point Blank" und "Deliverance" gemacht hat. "Country of My Skull" ist in seinem Scheitern aber nicht nur traurig, sondern richtig ärgerlich. Nicht nur, weil er ein großes Thema in den Sand setzt, sondern weil die Art, wie er das tut, fast schon fahrlässig genannt werden muß.

          Juliette Binoche
          Juliette Binoche : Bild: AP

          Es geht um die "Kommission für Wahrheit und Versöhnung", mit der in Südafrika versucht wurde, nicht Siegerjustiz walten zu lassen, sondern ein Volk mit seiner blutigen Geschichte zu versöhnen, indem sie nicht unter Urteilen begraben, sondern ans Licht gebracht wird. Das gesellschaftliche Experiment lautete: Wahrheit gegen Amnestie. Die Schergen des Apartheid-Regimes wurden begnadigt, wenn sie sich den Opfern stellten und nachweisen konnten, daß sie auf Befehl handelten. Zwanzigtausend Opfer und Hinterbliebene erzählten ihre Geschichten, und die Täter ergänzten das, was sich im Dunkel der Gefängnisse und Folterkeller verlor. Ein erschütterndes gesellschaftliches Ritual von Schmerz, Scham und Selbstreinigung, in dem die widersprüchlichsten Empfindungen zusammenschießen. Die Afrikaans-Dichterin Antje Krog hat von diesen Anhörungen im Radio berichtet, und auf ihren Erfahrungen basiert die Figur von Juliette Binoche.

          Als sei ein Star nicht genug, muß Samuel L. Jackson bei Boorman einen amerikanischen Reporter spielen, und als sei das Thema nicht ergreifend genug, muß sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte entspinnen, die so deplaziert wirkt wie nur selten eine Liebe im Kino. Man kann buchstäblich sagen, daß sie zur Wahrheitsfindung nichts beiträgt, im Gegenteil: Die eheliche Beichte des Seitensprungs zieht Parallelen zum gesellschaftlichen Läuterungsprozeß, die schlicht und einfach unzulässig sind, weil man die Übergriffe des Apartheid-Regimes wohl kaum mit Seitensprüngen gleichsetzen kann. So verkommt die reale Qual zur Kulisse für fiktives Herzensleid, und den Opfern wird jene Geschichte gestohlen, die sie unter Schmerzen zurückerobert haben.

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