„Metropolis“ wie früher : Die Wiedergeburt eines Jahrhundertfilms
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Fritz Lang (li.) zeigt Heinrich George, wie man Brigitte Helm anpackt Bild: epd
Achtzig Jahre lang galt die ursprüngliche Fassung von Fritz Langs Meisterwerk „Metropolis“ als verschollen. Dann tauchte eine Kopie in Buenos Aires auf. Jetzt ist der Film wieder (fast) komplett und erweist sich als buchstäblich wiedergeboren.
Im April des Jahres 1927 geht der Schriftsteller H. G. Wells, der Autor des von Spielberg verfilmten und von Orson Welles vertonten „Krieg der Welten“ und der „Zeitmaschine“, ins Kino, um sich einen deutschen Science-Fiction-Film anzuschauen. Seine Eindrücke fasst er in einem Bericht für die „New York Times“ zusammen: „Ich habe gerade den allerdümmsten Film gesehen. Ich glaube nicht, dass es möglich wäre, einen noch dümmeren zu machen. Er heißt Metropolis und kommt von den großen Ufa-Studios in Deutschland, und dem Publikum wird zu verstehen gegeben, dass er mit einem enormen Budget produziert wurde. Originalität gibt es keine darin. Auch keinen eigenständigen Gedanken. Keinen einzigen Moment lang glaubt man irgendetwas von dieser blödsinnigen Geschichte. Man kann nicht einmal darüber lachen. Es gibt keine einzige gut aussehende, sympathische oder lustige Figur in der Besetzungsliste. Mein Glaube an das deutsche Unternehmertum hat einen Schock erlitten . . . Sechs Millionen Mark! Was für eine Verschwendung!“

Feuilletonkorrespondent in Berlin.
Knapp dreiundachtzig Jahre später sitzt der Dirigent Frank Strobel in einem Berliner Café und freut sich über „Metropolis“. Strobel, Mitbegründer und künstlerischer Leiter der Europäischen Filmphilharmonie, hat gerade gemeinsam mit zwei Experten von der Deutschen Kinemathek Berlin und der Wiesbadener Murnau Stiftung die bisher längste und vorerst endgültige restaurierte Version des deutschen Stummfilmklassikers erstellt.
Am 12. Februar wird er im Berliner Friedrichstadtpalast die Uraufführung der neuen „Metropolis“-Fassung mit der Originalmusik des Komponisten Gottfried Huppertz dirigieren. Eineinhalb Jahre hat die Arbeit an dem Film gedauert, der jetzt fast zweieinhalb Stunden lang ist, nur wenig kürzer als bei seiner Premiere im Januar 1927. Zwar werde an Feinheiten immer noch gefeilt, sagt Strobel, aber im Großen und Ganzen sei die Restaurierung abgeschlossen. Ein Glücksgefühl sei es gewesen, als er zum ersten Mal den nahezu vollständigen Film gesehen habe. „Ich arbeite seit sechsundzwanzig Jahren mit ,Metropolis', und jetzt sind endlich die Stellen weg, bei denen ich immer gedacht habe: Das ist doch Murks!“
Mehr als dreißigtausend Statisten
Man könnte meinen, der Schriftsteller Wells und der Musiker Strobel sprächen über zwei völlig verschiedene Kinowerke. Und doch reden sie über den gleichen Film. Seine Geschichte, in der die Berliner Aufführung im Februar - eine zweite „Metropolis“-Gala findet zur gleichen Zeit in der Alten Oper in Frankfurt statt - ein völlig neues Kapitel aufschlagen wird, ist ein kinematographisches Drama ganz eigener Art. Es handelt von einem Regisseur, der den größten Film aller Zeiten drehen, von seiner Produktionsgesellschaft, die daraus ein marktfähiges Produkt, und von einer Nachwelt, die aus den Bruchstücken eines zerstörten Kunstwerks dessen ursprüngliche Gestalt herauslesen will. Es ist eine Geschichte, die viel über die Flüchtigkeit und Verletzlichkeit der Kinobilder verrät - und über den Zufall, der sie mal hierhin, mal dorthin weht und an den überraschendsten Stellen plötzlich wieder auftauchenlässt.