Bereute Mutterschaft : Lass es wegmachen, oder was?
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Von mancher Mutter bereute Pflicht: die Sorge um das eigene Kind Bild: dpa
Das ewig Mütterliche stößt manche Betroffenen ab - aber was soll aus der Reue denn eigentlich folgen? Anmerkungen zur Merkwürdigkeit der Debatte über die bereute Mutterschaft.
Regretting motherhood (die Mutterschaft bereuen): Ist das jetzt Pflicht? Man muss es fast annehmen. Die von der Soziologin Orna Donath mit einer Studie zu 23 befragten israelischen Müttern ins Rollen gebrachte und mit einem Buch erneut befeuerte „Debatte“ wurde von allen sofort für „wichtig“ gehalten: Mütter trauten sich zu sagen, dass sie es bereuen, Kinder bekommen zu haben, weil sie zu wenig Zeit für sich selbst haben, und dass sie, könnten sie noch mal von vorne anfangen, gar keine Kinder haben wollten. Für den Mut muss man ihnen in der Tat gratulieren. Selten haben sich Frauen dermaßen rücksichtslos über ihre eigenen Kinder geäußert, wie bei Donath des Langen und Breiten nachzulesen ist.
Kostproben gefällig? „Sogar noch heute, wo sie doch schon drei und fünf sind - wenn Sie mich schon danach fragen: Wenn ein kleiner Kobold käme und mich fragen würde: ,Soll ich sie wegnehmen, als ob nichts geschehen wäre?‘, würde ich ohne zu zögern Ja sagen.“ Eine andere sagt: „Ich könnte vollkommen auf sie verzichten. Wirklich. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.“ Gegen die unfassbare Brutalität und Herzlosigkeit dieser und anderer Äußerungen regte sich natürlich Protest, über den die Mütter sich dann wiederum scheinheilig wunderten. Aber was haben sie erwartet? Ein „Forum“ für dergleichen? Es ist nicht erstrebenswert, dass man so etwas in der Öffentlichkeit sagen kann, selbst anonym nicht.
Am meisten irritierte, dass viele Debattiererinnen dann aber doch froh und erleichtert schienen: Endlich sagt’s mal jemand! Hurra, das Tabu ist gebrochen! So können nur die reden, die Elisabeth Badinter nicht gelesen haben, die, in der Nachfolge Simone de Beauvoirs, den mütterlichen Gefühlsirritationen und -schwankungen, die ja niemand wegdiskutieren will, mit historischer Tiefenschärfe auf den Grund gegangen ist. Ihr Buch „Die Mutterliebe“ (deutsch erstmals 1981) ist der Beweis dafür, dass man auch einem Thema, das fast zu persönlich und höchst unterschiedlich ausgeprägt ist, nur mit dem hohen intellektuellen Anspruch und der literaturhistorischen Informiertheit beikommen kann, die sie dabei an den Tag legt - und nicht, indem man Gedanken wiederkäut oder sich auf andere Soziologinnen beruft, die auch nur Stichproben genommen haben.
Einheit von Kind und Mutterschaft
Aber selbst wenn man Orna Donaths Laborversuch einen Erkenntniswert zubilligen wollte - was sollte daraus folgen? Die Antwort könnte nur politisch ausfallen, im Sinne einer Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen. Aber dazu hätten Donath und ihre Gesprächspartnerinnen über ihren Tellerrand hinausblicken müssen. Aus einer öden Aneinanderreihung immer gleicher Befunde und Argumente, die den Rahmen persönlichen Erlebens und Meinens an keiner Stelle verlässt, kann nichts folgen, was allgemein von Interesse wäre. Andernfalls gehorchte man der AfD-Logik „die Ängste und Sorgen der Leute ernst nehmen“. So etwas kann nicht Grundlage von Politik sein.