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Bauen in Südafrika : Die richtige Entwicklungshilfe

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Modern die Form, jahrhundertealt der Baustoff: Deutsche und österreichische Studenten bauen Schulen in der südafrikanischen Provinz mit Lehm Bild: Wojciech Czaja

Architekturstudenten aus Österreich und Deutschland sind am Bau zweier Schulen in Südafrika beteiligt. Es geht um die langjährige Schaffung von Strukturen - und um das Wiederbeleben vergessener Traditionen.

          7 Min.

          Jasna Šari studiert Jus. Eine angehende Rechtsanwältin stellt man sich anders vor. Die achtundzwanzigjährige Kroatin steht auf einem wackeligen Baugerüst, trägt zerfetzte Jeans und ist mit Lehm verschmiert. „Ich liebe diese Arbeit“, sagt sie. Im Hintergrund dröhnt Lady Gaga. „Es gibt kaum einen freien Tag, aber dafür ist das hier für einen guten Zweck. In drei Wochen haben die Kids einen weiteren Raum zum Lernen.“

          Klingt nach schauderhafter Entwicklungshilfe. Ist es aber nicht. Das Ithuba Skills College in der Provinz Gauteng, sechzig Kilometer südlich von Johannesburg, ist ein Bauexperiment mit Langzeitwirkung. Die Schule, die sich auf dem Betriebsgelände der Molkerei Montic in Zonkizizwe befindet, wurde 2008 gegründet und besteht mittlerweile aus zwanzig Bauten, die so ambitioniert und auffällig gestaltet sind, dass man sich bisweilen auf einer überdrehten Weltausstellung in der südafrikanischen Hochebene wähnt.

          Jede Grupe baut ein Haus

          Manche Häuser sind aus Blech zusammengeschraubt, andere aus Holzpaletten und Polycarbonat, manche sind aus Betonziegelsteinen und mit schlachthausartigen Metallschiebetüren versehen. Andere bestehen aus einfachem Arme-Leute-Lehm und riechen nach Stroh und Erde. Insgesamt bieten die Klassenräume der Ithuba School Platz für vierzehn Lehrerinnen und 250 Schüler. Die Besonderheit: Hinter jedem Bau steckt eine Studentengruppe, die ihn im Rahmen eines einjährigen Entwurfsprojekts geplant, ausgearbeitet und realisiert hat - eigenhändig und mit Hit-Sound. Bis jetzt waren zehn Fakultäten aus Österreich, Slowenien und Deutschland am Bau der Ithuba School beteiligt. Zuletzt wurden die Bauabschnitte der TU München und der RWTH Aachen fertiggestellt. Derzeit werden die Baustellengerüste von Architekturstudenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München (HM) und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bekraxelt.

          Die politische Kraft hinter dem Ithuba Skills College ist der österreichische Verein s2arch. Der typografisch etwas eigenwillige Name steht für Sustainable Architecture. Initiator und Vereinschef ist der Wiener Gemeinderat und Landtagsabgeordnete Christoph Chorherr; Hauptsponsor ist die Vermögensverwaltungs- und Beratungsgesellschaft Ithuba Capital. „Das Problem herkömmlicher Entwicklungshilfe-Projekte ist, dass es sich meist um One-Time-Shows ohne Wechselwirkung mit dem jeweiligen Ort handelt“, sagt Chorherr. „Das ist nicht nur Geldverschwendung, sondern auch ein schwerer Eingriff in die kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen. Dann lieber lassen.“

          Architektur als Schulförderung

          Der Verein s2arch gehe einen Schritt weiter. Hier geht es nicht nur um den Bau, sondern auch um die Etablierung einer eigenen Privatschule, um die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern und nicht zuletzt um die langjährige operative Begleitung eines jungen Schulapparats. Die Architektur ist dabei eine Art Hardware-Rahmen. Nebenbei kann so die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden: Frauen und Männer der Umgebung arbeiten mit; die Hautfarbe bezeugt, dass einheimische Bauarbeiter in der Überzahl sind.

          „Der Standard an den öffentlichen Schulen ist extrem niedrig“, erklärt Myheart Muusha. Der Vierzigjährige ist Direktor des Ithuba Skills College und wohnt mit seiner Familie am Schulgelände. Sein Haus liegt zwischen Werkstatt und Studentenquartier. „Meist sind die Kinder nach Abschluss der Grundschule nicht einmal in der Lage, ihren Namen zu schreiben. Die Lehrer sind selbst schlecht ausgebildet. Die es sich leisten können, flüchten an die Schulen der Großstadt.“

          Zwölf Uhr mittags. Ein Bub in Schuluniform läuft über das Schulgelände. An seiner Rechten eine Schulglocke. Mit jedem Schlag ertönt ein schriller, blecherner Ton. Während sich der Schulhof mit Kindern füllt, die sich mit einem Teller Reis und Hähnchen in den Schatten setzen, wird auf der Baustelle emsig gearbeitet. Eine Gruppe junger Studenten steht am Gerüst und stopft feuchte Erde zwischen zwei Betonstützen. Als Schalung dient ein Hasenstallgitter, das mit Drähten so befestigt ist, dass es beim Auffüllen nicht ausbeult. Für die nötige Festigkeit wird die Wand regelmäßig bewässert und nachgefüllt. Am Ende dient das dünne Metallnetz als Träger für den Lehmputz.

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