Bagdad : Frisch aus dem Safe: Der Goldschatz von Nimrud
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Einen Tag lang ausgestellt: der Schatz von Nimrud Bild: dpa/dpaweb
Der Goldschatz von Nimrud, eine Prachtsammlung von 3000 Jahre alten assyrischen Goldgegenständen, ist am Donnerstag im Bagdader Nationalmuseum erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert worden.
Zwei Kriege waren das Schicksal des "Schatzes von Nimrud". Der erste, der Golfkrieg, verhinderte 1991, daß ihm der gebührende Ruhm zuteil wurde. Der diesjährige zweite bedrohte erst seine Existenz, aber macht ihn nun im Nachtrag zur Weltsensation: Gestern stellte das amerikanische Oberkommando in Bagdad der Weltpresse die assyrischen Kostbarkeiten vor.
Von "siebenundfünfzig Kilogramm purem Gold" sprachen marktschreierisch die Ankündigungen. Oder vom größten Schatz der Antike "seit der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun" im Jahr 1921. Wer dies in Bausch und Bogen als Medienrummel und selbstbeweihräuchernde Propaganda der amerikanischen Besatzer abtun will, besinne sich auf das Jahr 1994. Als damals in Moskaus Puschkin-Museum der angeblich verschollene sogenannte "Schatz des Priamos" hervorgeholt wurde, den Heinrich Schliemann in Troia ausgegraben hatte und der 1945 von der sowjetischen Armee aus Berlin entführt worden war, da fieberte alles den Diademen und Kolliers samt dem "Goldbecher des Nestor" entgegen. Die Prunkäxte und Siegel, die ebenso schön, im kulturhistorischen Wert aber höher anzusetzen sind, wurden kaum beachtet.
Sensastionslust hat Tradition
Wie Pech klebt Sensationslüsternheit am Gold des Zweistromlands. Schon die Bibel, lange die älteste und einzige Urkunde über den Reichtum Nimruds, zeichnet dessen Königinnen in einer Mischung aus Abscheu und Neid als "bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen". Als irakische Archäologen zwischen 1988 und 1989 im einstigen königlichen Palast von Nimrud nacheinander die Gräber von drei Königinnen entdeckten, fanden sie genau dies vor: Diademe, Kolliers, Armreifen (unsere Abbildung) und Ohrringe aus Gold, Lapislazuli, Karneol und Glasfluß, goldene und kristallene Prunkgefäße, die Reste kostbarer Gewebe sowie vierhundert Keilschrifttafeln.
Wenig ist bisher über diese Kunstwerke bekannt, die nach erstem Eindruck in ihren komplizierten und filigranen Einlege- und Granulationstechniken stilistische Einflüsse aus Ägypten und dem Kaukasus vermuten lassen. Sicher ist, daß sie zwischen 883 und 612 vor Christus angefertigt wurden, als das assyrische Reich durch die brutalen Eroberungskriege Assurnasirpals II. den Zenit seiner Macht erreichte. Eines der Gräber ist als das seiner Hauptfrau Mullisu-mukannischat-Ninua identifiziert worden, zwei weitere als die der späteren Königinnen Jaba und Atalia. Die übrigen der insgesamt siebzehn Toten hält man für Hofdamen und königliche Kinder.
Golfkriege verhinderten größere Ausstellungen
Von sporadischen Publikationen abgesehen, blieb die Bedeutung der Grabschätze infolge des Golfkriegs und des nachfolgenden Embargos weitgehend unbekannt. Nur kurz wurden einige Stücke in Bagdads Nationalmuseum ausgestellt, dann verschwand alles, zunächst wegen der mangelhaften technischen Ausrüstung des Museums, dann wegen des sich abzeichnenden zweiten Krieges, in den unterirdischen Tresorräumen der Nationalbank.
In den gleichen Superlativismen, mit denen nun der Wert der Schätze beschworen wird, sprachen nach der Plünderung des Nationalmuseums Gerüchte von deren möglichem Verlust. Unversehrt geborgen und aufpoliert, wurden sie gestern dem Staunen der Welt dargeboten. Wenn etwas an diesem Spektakel dauernden Wert hat, dann, daß mit ihm der Weg gebahnt werden könnte für die internationale wissenschaftliche Aufarbeitung der Funde. Wenn die Schmuckstücke untersucht und die Keilschriften entziffert sind - erst dann werden wir wirklich einen der großen Schätze der Menschheit besitzen.