Auszeichnungen : Jürgen Habermas erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
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Der Mitstreiter der Frankfurter Schule, heute 71, bekommt die Auszeichung spät, aber verdient.
Für seine bedeutenden gesellschaftskritischen Arbeiten erhält der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.Das teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der die Auszeichnung verleiht, am Donnerstag in Frankfurt mit.
Der Börsenverein ehre Habermas als „den Zeitgenossen, der den Weg der Bundesrepublik ebenso kritisch wie engagiert begleitete, der mehr als einer Generation die Stichworte zur geistigen Situation der Zeit vermittelte und der von einer weltweiten Leserschaft als der prägende deutsche Philosoph der Epoche wahrgenommen wird“, heißt es in der Begründung.
Habermas habe weit über sein Fach hinaus Wirkung erzielt. Überreicht wird der mit 25 000 Mark dotierte Preis während der Frankfurter Buchmesse am 14. Oktober in der Paulskirche.
Preisträger Nummer 52
Der 71-jährige gebürtige Düsseldorfer, der heute in Starnberg lebt, ist der letzte prominente Vertreter der berühmten „Frankfurter Schule“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno.
Der Tübinger Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Prof. Walter Jens nannte die Auszeichnung für Habermas „hochverdient, lange fällig und dennoch, im Zeichen des allgemeinen Rechtsdralls hier zu Lande, zum richtigen Zeitpunkt gekommen.“
Der Preisträger selbst war am Donnerstag in den USA auf Reisen und nicht zu erreichen. Dort nimmt er die Ehrendoktorwürde der Harvard University entgegen.
Habermas ist der 52. Träger des Friedenspreises. Nachdem in den vergangenen Jahren überwiegend Literaten die Auszeichnung erhalten hatten, ist mit ihm erstmals wieder ein hochrangiger deutscher Geisteswissenschaftler in der Preisträger-Riege vertreten. Vor ihm hatten etwa Karl Jaspers (1958), Carl Friedrich von Weizsäcker (1963) und Ernst Bloch (1967) den Friedenspreis erhalten.
Bedeutende Gesellschaftstheorie
Mit seiner Gesellschaftstheorie habe Habermas die Tradition kritischer Aufklärung fortgeführt und „Freiheit und Gerechtigkeit als die Grundlagen in Erinnerung gebracht, an die jede staatliche Macht gebunden ist und die den unaufgebbaren Kern des demokratischen Gemeinwesens ausmachen“, hieß es in der Begründung weiter.
Mit seinem Rückgriff auf die Sprache als kommunikatives Handeln habe er „die Imperative der praktischen Vernunft freigelegt, (...) deren Anerkennung allein friedvolle Verständigung unter den Bedingungen gesellschaftlicher Vielfalt und Verschiedenheit zustande kommen läßt.“
Habermas hat den gesellschaftlichen Diskurs der vergangenen Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Mit seinem Theoriemodell der herrschaftsfreien Kommunikation warb er für innergesellschaftlichen Frieden und Demokratie.
1986 löste er mit seiner Kritik an dem Historiker Ernst Nolte, der den Holocaust zu relativieren versuchte, den Historikerstreit aus. Erst im April füllte Habermas auf einer Vortragsreise in China die Hörsäle mit seinen Plädoyers für die Unteilbarkeit der Menschenrechte.
In den vergangenen Jahren erregte er mit seinen Überlegungen zur so genannten postnationalen Konstellation Aufmerksamkeit. Darin beschrieb er den Bedeutungsverlust nationaler Regierungen im Zeitalter der Globalisierung. Derzeit hat Habermas unter anderem einen Lehrauftrag in China.