E. T. A. Hoffmann : Traue nicht den Spiegeln!
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Selbstportrait mit Arzt: E.T.A. Hoffmann, antikisch gekleidet, zeigt als Führer (wie Vergil in der Divina Commedia von Dante) dem Bamberger Arzt Dr. Adalbert Friedrich Marcus eine Waldlandschaft, wohl die Umgebung der Altenburg bei Bamberg. Bild: Staatsbibliothek Bamberg
Mit „Sandmann“-Manuskript: Zum 200. Todestag feiern Ausstellungen in Berlin und Bamberg den Dichter, Musiker, Zeichner und Juristen E. T. A. Hoffmann.
Ein Wiedersehen nach vielen Jahren, unverhofft und erschütternd: Am Silvesterabend auf dem Empfang des Justizrats trifft der Mann, der sich selbst nur den „reisenden Enthusiasten“ nennt, plötzlich seine Jugendliebe Julie wieder. Die Stimmung ist aufgeheizt, nebenan spielt ein gefeierter Pianist, nur Julies Gesicht ist nicht zu deuten – ihr Blick erscheint zärtlich in einem Moment, im nächsten beinahe giftig, und als sie den Raum verlässt, ist es, „als sei das engelschöne jugendlich anmutige Gesicht verzerrt zum höhnenden Spott“.
Im Lauf der Geschichte „Die Abenteuer der Sylvester-Nacht“ bekommt es der herumstreifende Erzähler mit Doppelgängern zu tun, mit dem schattenlosen Peter Schlemihl und einem Mann ohne Spiegelbild, der das einst an die schöne Giulietta verloren hat, die wiederum der verwandelten Julie gleicht. Identitäten verschwimmen, der Erzähler verliert den Boden unter den Füßen, vor allem aber die Gewissheit über die eigene Person, die er schließlich als Zerrbild gespiegelt sieht: in einem verzweifelten Fremden, der unversehens in seinem eigenen Bett liegt.
Drei Ausstellungen, drei Schwerpunkte
Wie soll man das deuten? „Unheimlich Fantastisch“ ist die Ausstellung überschrieben, die nun in der Staatsbibliothek zu Berlin eröffnet wurde, in den neu geschaffenen Ausstellungsräumen des „Stabi Kulturwerks“, und weil diese erst verspätet bereitstanden, überlagert sich diese Station mit einer weiteren in der Staatsbibliothek Bamberg, wo seit Ende Juli ebenfalls eine solche Ausstellung zu sehen ist – vom 24. November an ist dann das Romantikmuseum in Frankfurt ein weiterer Schauplatz.
Die drei Stationen teilen sich den vorzüglichen Katalog, identisch aber sind sie nicht. Das liegt nicht nur an den unterschiedlichen Räumen, die jeweils zur Verfügung stehen, sondern auch an unterschiedlichen Interessen und Schwerpunkten vor Ort, obwohl die Prämisse dieselbe ist: Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, dessen 200. Todestag im Juni den Anlass für die Ausstellungsreihe lieferte, wird als vielfach begabte Persönlichkeit betrachtet, als Musiker, Zeichner, Autor und Jurist, schillernd dort, wo diese Befähigungen ineinander übergehen, der Autor über Musik schreibt, der Musiker Texte vertont, der Künstler illustriert oder der Jurist über die Strafbarkeit von umstürzlerischen Gesinnungen urteilen muss und sich schließlich selbst wegen eines Textes angeklagt sieht.
Dieser Blick auf Hoffmann ist inzwischen zwar nicht mehr sonderlich originell. Es zeichnet aber die Berliner Ausstellung, die sich über drei großzügig genutzte Räume verteilt, aus, dass sie darüber weder die Grundlagen vergisst und ein anschauliches Bild von Leben und Werk zeichnet – die Schau richtet sich erkennbar auch an Besucher, die bisher mit Hoffmann nicht sonderlich vertraut waren – noch den Blick auf unsere Zeit.