Manipulation der Wahlen : Amerikas zwei Regierungen
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Es geht nicht allein um die Manipulation der öffentlichen Meinung: Computersysteme der Wählerregistierung sollen direkt angegriffen worden sein. Bild: AP
Auf der einen Seite steht der Präsident mit seinem Gefolge, auf der anderen die amerikanische Verwaltung. Die Geheimdienst-Community wird das Thema Wahlbeeinflussung noch lange nicht zu den Akten legen.
Als die halbe Welt noch dem irrlichternden amerikanischen Präsidenten nach seinem Europabesuch hinterherinterpretierte und sich fragte, ob er Europa tatsächlich zum „Feind“ erklären wollte, trafen sich letzte Woche Diplomaten, Journalisten, Ministeriale und Geheimdienstler beim traditionellen „Aspen Security Forum“ in Colorado. Nie war dort mehr „Cyber“, wie die Amerikaner sagen. In diametralen Gegensatz zu den Aussagen von Donald Trump in den Tagen zuvor zog sich durch fast alle Diskussionen das Thema Russland und die Wahlbeeinflussung.
Die versammelte Geheimdienst-Community bis hin zu ihrem Frontmann und Direktor der nationalen Dienste, Dan Coats, ließ keinen Zweifel aufkommen, wer der aggressivste Gegner auf dem Cyberfeld ist: Russland. Coats hatte am Donnerstag gesagt, es sei „unbestreitbar“, dass von Seiten Russlands der Versuch einer Wahlbeeinflussung unternommen worden sei. Er war allerdings ehrlich genug um einzuräumen, dass die Vereinigten Staaten dies bei anderen Ländern auch schon versucht hätten. Auch der Stellvertreter des amerikanischen Justizministers, Rod Rosenstein, war angereist. Er sprach beim „Aspen Security Forum“ über die Ergebnisse einer vor wenigen Monaten eingesetzten „Cyber-Digital Task Force“. Der Name klingt nach drakonischem Maßnahmen, doch der Bericht analysiert vor allem die Lage und schlägt Gegenmaßnahmen vor.
Die Beamten der Arbeitsgruppe haben fünf wesentliche Bereiche identifiziert, bei denen man angesichts der anstehenden Kongresswahlen dringend tätig werden müsse. Weiterhin zu erwarten seien Angriffe auf die digitale Wahlinfrastruktur und die in den Vereinigten Staaten verbreiteten Wahlcomputer sowie auf politische Organisationen und Funktionsträger. Auch die politischen Wahlkampagnen sind weiter von verdeckter Spionage über die Netze bedroht. Außerdem warnt der Bericht vor Desinformationen bei Social-Media-Plattformen sowie davor, dass ausländische Medien und Lobbyisten nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Gesetzgebungsprozesse beeinflussen.
Die Erkenntnisse im Bericht der „Cyber-Digital Task Force“, die Rosenstein in seiner halbstündigen Rede vorstellte, sind nicht neu. Dass es bei der Einflussnahme auf die amerikanischen Wahlen nicht nur um die Manipulation der öffentlichen Meinung ging, ist schon seit einem Jahr bekannt. Die Geheimdienste hatten in einem früheren Bericht bereits veröffentlicht, dass auch Computersysteme der Wählerregistrierung direkt angegriffen wurden.
„Bösartige ausländische Einflussoperationen“
Das unterscheidet die Bedrohung von denen in anderen Staaten. Zwar sagen sowohl Coats als auch Rosenstein, es sei nicht erwiesen, dass dabei tatsächlich das Wahlergebnis erfolgreich verändert wurde. Doch schon Zweifel an der Legitimität des Wahlausgangs durch „bösartige ausländische Einflussoperationen“ könnten sich verheerend auf das Vertrauen in die Wahl auswirken. Rosenstein hob daher die Vorschläge in dem hundertfünfzigseitigen Papier der „Cyber-Digital Task Force“ zur Abwehr solcher Angriffe hervor: Mit Ermittlungen und Strafverfolgung allein sei es nicht getan, man müsse die Öffentlichkeit sensibilisieren und öffentliche Stellen und private Unternehmen in die Abwehr einbeziehen. Dazu gehören nach Rosensteins Dafürhalten auch die Social-Media-Konzerne.
Bei den Diskussionen im „Aspen Security Forum“ ist die Gesprächsatmosphäre locker, patriotisch, aber auch ernsthaft und faktenorientiert. Angesichts der jüngeren Wortmeldungen Trumps ist das Zuhören fast eine Wohltat. Die Vertreter aus Geheimdiensten und Ministerien vermeiden es auffallend, auf das ihnen vorgehaltene Gerede oder die Tweets ihres Präsidenten einzugehen.
Am nächsten Tag ein Widerruf Trumps
Es sind quasi zwei Regierungen in den Vereinigten Staaten am Werk: einerseits der im Zentrum der Öffentlichkeit stehende Präsident und sein Gefolge, andererseits die eigentliche amerikanische Verwaltung, die Trumps Twitter-Ergüsse nicht kommentiert und stoisch weitermacht, als würde er wie ein Unwetter vorüberziehen. Auch Rosenstein repräsentiert diese Seite der amerikanischen Verwaltung. Sein Justizministerium hatte wenige Tage vor dem Trump-Putin-Treffen in Helsinki gegen zwölf russische Geheimdienstler Anklage wegen Beeinflussung der Präsidentschaftswahl erhoben. Ob und wie Trump diese Anklagen gegenüber dem russischen Präsidenten angesprochen hat, ist nicht bekannt, da das Gespräch nur von zwei Übersetzern begleitet wurde.
Trump konterkarierte öffentlich sowohl die Ermittlungen, die zu den neuen Anklagen führten, als auch die Aussagen des Justizministeriums und der Geheimdienste. Nach dem Treffen mit Putin hatte er in der gemeinsamen Pressekonferenz Bemerkenswertes zu sagen: Der russische Präsident hätte eine Wahleinflussnahme „extrem stark und kraftvoll“ geleugnet. Er sehe daher keinen Grund, warum Russland für die Versuche verantwortlich gemacht werden solle.
Es folgte am nächsten Tag ein Widerruf Trumps, der nicht nur national, sondern auch international verspottet wurde. Denn der amerikanische Präsident hatte die Chuzpe, sich vor die Kameras zu setzen und von einem Zettel abzulesen, dass er sich bei einem einzelnen Wort in der Pressekonferenz versprochen hätte. Es war eine weitere in der langen Liste der Peinlichkeiten eines Mannes, der sein Amt der Lächerlichkeit preisgibt.
Angesichts der eindeutigen Beschuldigungen, die Rosenstein in seiner Rede gegen Russland äußerte, entwickelte sich die Diskussion um eine vom Weißen Haus angekündigte Visite von Putin in Washington zur schrillen Polit-Schlammschlacht. Die Demokraten-Frontfrau Nancy Pelosi nannte den russischen Präsidenten einen „Gangster“ und „Tyrannen“ und will ihn wegen der „Angriffe auf die Wahlen“ keinesfalls im amerikanischen Kongress willkommen heißen.
Das Polit-Getöse sollte allerdings nicht davon ablenken, worum es eigentlich geht. In der digitalisierten Welt sind gefährliche Verwundbarkeiten offenbar geworden. Auch Europa muss ihnen entgegentreten.