Budgets der Geheimdienste : Ein paar Milliarden mehr dürften es schon sein
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Unbegründete Behauptung
Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentierte diese jüngsten Spionageverdachtsfälle nicht weiter, sondern verwies auf den Generalbundesanwalt, der dazu Stellung nehmen müsse. Vielleicht sagt Harald Range bei der Gelegenheit mal etwas zu den nun bekannten deutschen Überwachungsopfern und leitet endlich Ermittlungen wegen der weiterhin andauernden Massenspionage ein.
Während die deutschen Empörungswellen hochschlagen, hat Glenn Greenwald, der im vergangenen Jahr Snowdens Material veröffentlichte, bereits die nächste Bombe gezündet. Er brachte am Mittwoch weitere Informationen aus den Snowden-Papieren ans Licht der Öffentlichkeit, die konkrete und teilweise namentlich benannte Spionageopfer auf amerikanischem Boden ausweisen. Mehr als siebentausend Mailadressen sind in einem Dokument aufgelistet, deren Benutzer allesamt Zielobjekte waren.
Prominente Opfer der Überwachung sind diesmal amerikanische Anwälte, Funktionäre oder Professoren, die lediglich eines gemeinsam haben, um sechs Jahre lang Ziel der Geheimdienste gewesen zu sein: ihre Religionszugehörigkeit und die ethnische Herkunft ihrer Eltern. Fünf von ihnen porträtiert Greenwald in seiner jüngsten Veröffentlichung. Prompt kam als Reaktion aus Geheimdienstkreisen der altbekannte Vorwurf: Die Veröffentlichung gefährde die „nationale Sicherheit“. Die Mühe, diese Behauptung zu begründen, macht sich aber schon niemand mehr.
Die Gesichter in der Maschinerie
Dass keine weißen Amerikaner auf der Liste der Überwachten zu finden sind, rückt die rassistische und diskriminierende Komponente des Profilings durch die NSA in den Fokus. Das sprechen neben Greenwald auch die Opfer selbst ganz klar aus. Die amerikanische Öffentlichkeit diskutiert bereits darüber, ob allein schon Ethnie und Religionszugehörigkeit als Zielparameter für den Geheimdienst gelten dürfen.
Eines der betroffenen Spionageopfer ist der indischstämmige Anwalt Asim Ghafoor, geboren in St. Louis. Brisanz bekommt sein Fall, weil er Mandanten in politischen Verfahren vertritt und zudem die amerikanische Regierung wegen der bereits vor einigen Jahren erfolgten illegalen Überwachung seines Telefons verklagt hat.
Ghafoor berichtet, was das Wissen um die Überwachung in ihm auslöste. Man müsse sich klarmachen, sagt er, dass viele privat kommunizierte Dinge, die man in E-Mails oder Telefonaten äußere, allzu leicht falsch verstanden werden können. Er empfinde das als „ausgesprochen beunruhigend“: Ein zweideutiger Witz, eine flapsige Bemerkung oder eine drastische Meinung zur politischen Weltlage lande so in den Datenbanken der professionellen Spanner.
Nachdem letzte Woche hierzulande erstmals über spezifische deutsche Überwachungsopfer diskutiert wurde, liegen nun auch den Amerikanern Gesichter und Biographien von Menschen vor, die in die Maschinerie der Geheimdienste geraten sind: Es sind honorige, auch gesellschaftspolitisch aktive Mitglieder der Gesellschaft. Das Bild von den angeblich nur Terroristen jagenden Geheimdiensten ist verzerrter denn je.