Fernsehfilm über Beethoven : Wie man für eine Idee brennt
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Tobias Moretti spielt Ludwig van Beethoven am Ende von dessen Leben. Er sagt: „Wir sind gerade in einer Zeit, in der sich alles auflöst.“ Bild: ARD Degeto/WDR/ORF
Niki Stein dreht für die ARD einen Spielfilm über Beethoven. Den Film durchzusetzen war nicht einfach. Wo ist die gesamteuropäische Begeisterung für solche Projekte geblieben?
Ludwig van Beethoven war charakterlich nicht einfach, sagt Cornelius Obonya: „Wo der auftaucht, übernimmt er das Kommando.“ Es ist feucht und kalt draußen. Wir sitzen, in dicke Jacken gehüllt, bei heißem Tee auf Schloss Arff bei Köln. So wie Obonya eine Rolle spielt, nämlich die von Johann van Beethoven, Ludwigs jüngerem Bruder, spielt auch das Schloss eine Rolle. Es muss so tun, als wäre es Gneixendorf bei Krems in Niederösterreich, Johanns Hof, auf dem Ludwig am 29. September 1826 Unterschlupf suchte mit seinem Neffen Karl. Der nämlich hatte, gerade zwanzigjährig, vor den Toren Wiens einen Selbstmordversuch unternommen, sich eine Kugel in den Kopf schießen wollen, weil er es nicht mehr aushielt mit seinem unberechenbaren Onkel Ludwig, der ihn seiner Mutter weggenommen und die Vormundschaft an sich gerissen hatte, nachdem der Vater gestorben war.
Eine stille Szene der Anteilnahme hat Obonya gerade mit dem Darsteller des Karl, Peter Lewys Preston, gedreht, ihm die Hand auf die Schulter gelegt, wenige Zentimeter unterhalb des Kopfverbands, und leise gesagt: „Lass dich mal anschauen!“ – ein Empfang ohne Vorwürfe, aber voller Mitleid. „Louis van Beethoven“ lautet der Arbeitstitel für den großen Spielfilm, an dem der Regisseur Niki Stein gerade für die ARD zum Beethovenjahr arbeitet. Obonya hat sich gründlich auf die Rolle des Johann van Beethoven vorbereitet: „Seine Geschichte ist der Konflikt mit Ludwig. Er ist kein per se schlechter Mensch“, erzählt er. „Der Mann war Kriegsgewinnler. Er hat während der deutschen Befreiungskriege in großem Umfang Medikamente und Verbandszeug an die Armeen verkauft und damit viel Geld gemacht. Ich glaube, dass sich Johann durch eine Art bürgerlicher bis kleinbürgerlicher Geradlinigkeit auszeichnete, die Ludwig nicht gegeben war. Der künstlerische Ausdruck war nicht Johanns Welt, aber eine grundsätzliche Fürsorglichkeit besaß er schon. Johann bewundert Ludwig und hat ihm viel zu verdanken: Der ältere Bruder hat sich um ihn und den jüngeren Bruder Karl gekümmert, als die Mutter tot war und der Vater in den Alkoholismus abstürzte.“
Zeigen, dass dieser Beethoven auch mal jung war
Aber nicht Johanns Geschichte soll in diesem Film erzählt werden, sondern Ludwigs. „Louis“ wurde er in seinen Kindheitstagen genannt. Diese Jugend in Bonn wird den Film dominieren, als Erinnerung jenes verbitterten Mittfünfzigers, der in Gneixendorf seine zwei letzten Werke komponiert und vielleicht ahnt, dass er nur noch sechs Monate zu leben hat. Warum soll man diese Geschichte erzählen? „Ich glaube“, sagt Cornelius Obonya, „das Schönste, was uns passieren kann, ist, dass wir es tatsächlich schaffen, jüngeren Menschen zu zeigen, dass dieser Beethoven auch mal jung war, dass er nicht so eine seltsame, steife Ikone ist, dass er Probleme hatte wie einen alkoholkranken Vater, was sicherlich Hunderte von Jugendlichen aus eigener Erfahrung kennen in diesem Land. Vielleicht können die sich von diesem Film abschauen, wie man sein Leben mit einer Idee füllt und für diese Idee brennt.“
Für die Idee dieses Films brennt vor allem Niki Stein. Seit zwanzig Jahren arbeitet er an dem Stoff. Anderthalb Jahrhunderte Beethoven-Biographik von Alexander Wheelock Thayer bis Jan Caeyers hat er durchforstet: „Ich hatte immer eine große Liebe zu Beethovens Musik, die so zukunftsweisend ist, dass man sie gar nicht aus ihrer Zeit heraus verstehen kann. Mich hat immer die Frage beschäftigt: Was ist das für ein Mensch, der so etwas komponiert? Daher kommt mein Interesse an dem jungen Beethoven.“