Anti-Atom-Fatwa in Iran : Atomwaffen sind unislamisch
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Ein Urteil wieder den herrschenden Pragmatismus: Großajatollah Hossein Ali Montazeri Bild: AFP
Im Krieg ist nicht alles erlaubt: Ein aufsehenerregendes Rechtsgutachten des Großajatollahs Montazeri spricht sich gegen Atomwaffen aus. Er widerspricht der offiziellen Position, die Atomwaffen zwar als unislamisch betrachtet, aber sich eine Hintertür offen ließ.
Die Welt schaut gebannt auf die Verhandlungen mit Iran in der Atomfrage und fragt sich: Will Iran die Bombe, oder kann man den Beteuerungen der Staatsführung trauen, Atomwaffen seien unislamisch? Jetzt hat sich mit dem Großajatollah Hossein Ali Montazeri der ranghöchste Theologe Irans mit einer Fatwa, einem Rechtsgutachten, zu dieser Frage geäußert.
Der ranghöchste Theologe? Zwar ist Revolutionsführer Ajatollah Khamenei das religiös-politische Staatsoberhaupt der Islamischen Republik Iran, doch Montazeri steht in der klerikalen Hierarchie über ihm, da er ihn nach allgemein herrschender Auffassung an religiöser Gelehrsamkeit überragt. Da sich jeder Schiit eine „Quelle der Nachahmung“ suchen muss, der er in religiösen Fragen Folge leistet, sind dessen Äußerungen für Millionen von Gläubigen bindend. Nur Großajatollah Sistani, der im Irak lebt, genießt ein vergleichbar hohes Ansehen wie Montazeri.
Folgenschwere Opposition
In den achtziger Jahren war Montazeri als Nachfolger von Staatsgründer Khomeini vorgesehen. Doch als seine Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der Islamischen Republik immer lauter wurde, hob Khomeini die Designation auf. Montazeri wurde unter Hausarrest gestellt, seine Söhne wurden verhaftet und viele seiner Anhänger hingerichtet. 1997 meldete sich Montazeri mit einer aufsehenerregenden Erklärung in der Öffentlichkeit zurück: In einem offenen Brief forderte er vom neu gewählten Präsidenten Mohammad Khatami, sich nicht von Khamenei in seine Politik hineinreden lassen, nur weil dieser als sogenannter „Oberster Rechtsgelehrter“ meine, er stehe über der Verfassung. Die Verfassungsväter hätten nie im Sinn gehabt, eine religiöse Diktatur zu installieren. 1979 habe das Volk für eine Islamische Republik votiert, eine Herrschaft, die zwar dem Islam verpflichtet sei, aber vom Volk ausgehe. Es seien Parteien vorgesehen gewesen und eine freie Presse. Daraufhin wurde Montazeris theologische Hochschule in Qom von einem Schlägertrupp verwüstet. Bis heute ist dort die Drohung zu lesen: „Tod den Gegnern der Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten“.
Teuer zu stehen kam Montazeri auch sein Einsatz für inhaftierte Oppositionelle: Nachdem im Jahre 2001 Dutzende von Mitgliedern der Freiheitsbewegung verhaftet worden waren, verurteilte er das Erpressen von Geständnissen als ein aus kommunistischen Diktaturen bekanntes Verfahren. Er warf den Herrschenden vor, genauso verbrecherisch zu handeln wie das Regime, das sie selbst einst beseitigt hatten. Und mahnt, Geschichte könne sich wiederholen.
Generelle Ächtung
Auch bei dem Aufruhr gegen die offenkundigen Fälschungen der jüngsten Präsidentschaftswahlen beflügelte der greise Großajatollah die Demonstranten mit einer Reihe von unerhört scharf formulierten Fatwas, die allesamt die Autorität des Revolutionsführers untergruben. Zuletzt entschuldigte er sich beim Volk für sein eigenes Mitwirken beim Installieren des Systems und erklärte, das heutige iranische System sei weder islamisch noch republikanisch – und nicht einmal mehr eine „Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten“ (velayat-e faqih), sondern nur noch eine „Herrschaft der Sicherheitskräfte“ (velayat-e nezamiyan).