
Zapfenstreich für Merkel : Das Rosenlied
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Für sie soll`s rote Rosen regnen: Angela Merkel, hier im Jahr 2015 auf Besuch in Neu-Delhi, wünscht sich einen Klassiker von Hildegard Knef. Bild: Reuters
Wer geht, darf sich die Abschiedsmelodien selbst zusammenstellen. Angela Merkel hat beim Großen Zapfenstreich noch einmal Überraschendes zu bieten.
Großer Zapfenstreich, stillgestanden!“ Und: „Helm ab zum Gebet!“ Wenn diese Befehle am Donnerstagabend im Berliner Bendlerblock ergehen, dann haben wir das in persönlicher Hinsicht Interessanteste schon hinter uns. Das ist nämlich die naturgemäß subjektive Musikauswahl durch den zu Verabschiedenden, das zeremonielle Drum und Dran ist immer das gleiche.
Der Erste, der hier aus der Reihe tanzte, war Karl-Theodor zu Guttenberg. Als zurückgetretener und seither für seine Verhältnisse einigermaßen stillgestandener Verteidigungsminister konnte er nicht umhin, sich für den Großen Zapfenstreich neben der obligatorischen National- eine Hardrock-Hymne zu wünschen: „Smoke On The Water“ von Deep Purple. Obwohl rein geschmacklich alles andere als originell, hatte dieses Ausscheren aus der Reihe der für diesen Anlass normalerweise gewählten Märsche, frommen Lieder und Choräle etwas geradezu aufreizend Ausgeflipptes. Hauptsache, auffallen: Das war bis zum Schluss des Freiherrn Devise.
Schröder wählte „My Way“
Bis dahin bildeten Stücke aus dem Unterhaltungsfach die Ausnahme; in Erinnerung sind „My Way“, das sich Kanzler Schröder vom Musikkorps der Bundeswehr vorblasen ließ, und der „St. Louis Blues“ für Bundespräsident Köhler, vielleicht auch noch „Über sieben Brücken musst Du geh’n“ von der DDR-Gruppe Karat für Bundespräsident Gauck, der hiermit, fast schon trostlos überraschungsfrei, offenbar sein ostdeutsches Durchwurstel-Ethos noch einmal unter die Hörer bringen wollte.
Dass nun Angela Merkel bei ihrem Großen Zapfenstreich Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ hören will, geht unter dem Aspekt der DDR-Traditionspflege also ohne Weiteres in Ordnung und knüpft überdies stimmig an ihre Bemerkung vom 3. Oktober an, ihre DDR-Vergangenheit sei kein oder jedenfalls nicht nur „Ballast“. (Dass Nina Hagen vor bald dreißig Jahren als ihre Sitznachbarin eine Talkshow über Drogen zusammengeschrien hat, scheint sie also verkraftet zu haben.)
Trotzköpfchenhaft und melancholisch tapfer
Als faustdicke Überraschung darf es allerdings gewertet werden, dass sie außerdem „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef auf die Liste gesetzt hat. Zur Wahl hätte aus dem Knef-Kanon auch „Von nun an ging’s bergab“ gestanden, aber das hätte die Bevölkerung nur unnötig beunruhigt. Das Rosenlied hält dagegen eine Botschaft bereit, die man als trotzköpfchenhaft bezeichnen möchte: sich nie den Mund verbieten lassen, es sollen andauernd Wunder geschehen und das Schicksal ganz, ganz lieb zu einem sein, lauter Dinge, die ein Anspruchsdenken verraten, wie man es von einer verwöhnten Göre erwarten mag, aber nicht von der Bundeskanzlerin.
Doch Achtung, das Lied mündet ins melancholisch Tapfere, in eine irgendwie heitere, unbedingt realistische Skepsis: „Mich fern vom alten neu entfalten / Von dem, was erwartet, das meiste halten“. Mit anderen Worten: Angela Merkel schafft auch das. So viel zum Text. Er wird aber gar nicht gesungen. Zu hören ist nur die bläserlastige Musik, die noch jedem Stück seine Ecken und Kanten genommen hat und wohl auch diesmal dafür sorgen wird, dass man sich weiter nichts dabei denkt.