Ägyptische Kopten : Schrift steht gegen Gewalt
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Koptisch-Orthodoxe Kirche in Frankfurt am Main Bild: dapd
Die tödlichen Anschläge auf die koptische Minderheit in Ägypten zeigen, dass Christen in islamischen Ländern nicht nur alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Sie gelten rechtlich als Bürger zweiter Klasse.
Noch ist ungeklärt, ob die Attentäter von Alexandria, die mehr als zwanzig christliche Kopten auf dem Gewissen haben, der Al Qaida zuzurechnen sind. Die ägyptische Staatsmacht beteuert, dass Al Qaida in Ägypten keine Basis besitze. Aber wenn es sich um einheimische Dschihadisten handelt, wäre das für Ägypten wohl noch verheerender. Verheerend ist ein solcher Anschlag in jedem Fall: für das Zusammenleben von Christen und Muslimen, weil er die schon lange schwelenden Spannungen und das Misstrauen erneut verstärken wird; aber auch deshalb, weil er der Minderheit das Gefühl gibt, recht- und schutzlose Opfer in einem skrupellosen Machtpoker zu sein, der gerade die christlichen Feiertage zu Einschüchterung und Gewalt nutzt.
Das Empfinden der Rechtlosigkeit bei den christlichen Kopten in Ägypten wird nicht nur durch singuläre Ereignisse wie dieses genährt, sondern vor allem durch mancherlei Diskriminierungen im Alltag, gegen die es keine Berufungsmöglichkeit gibt, aber auch durch die Unfähigkeit oder den fehlenden Willen der Behörden, Angreifer auf die koptische Minderheit wirksam zu bestrafen. Bei der Gewalt gegen die christlichen Kopten in Ägypten, aber auch in Ländern wie dem Irak oder Nigeria treffen verschiedene Faktoren zusammen.
Muhammad verurteilte die Christen als „Ungläubige“
Zunächst die Geschichte: Als Muhammad seit etwa dem Jahr 610 auf der Arabischen Halbinsel den Islam zu verkündigen begann, predigte er vor allem den arabischen Stämmen, hoffte aber auch auf Anerkennung bei Juden und Christen, die er zunächst als „Gläubige“ und „Gottesfürchtige“ (Sure 5,82; 3,110) recht positiv beurteilte. Ihnen präsentierte er sich als letzter Prophet der Geschichte, als Nachfahre von Abraham, Moses und Jesus.
Als weder Juden noch Christen Muhammads Sendungsanspruch akzeptierten (Sure 2,111; 5,15), begann Muhammad die Juden in Medina seit 622 militärisch zu bekämpfen und die Christen im Laufe der Jahre immer stärker theologisch zu verurteilen, bis er sie schließlich hauptsächlich wegen ihrer Verehrung von „drei Gottheiten“ (Gott, Sohn und Mutter Gottes) als „Ungläubige“ (2,116; 5,72-73) verurteilte. So betrachtete die islamische Theologie den Islam als einige, reine, verlässlich überlieferte Religion, unverfälscht und mit dem Verstand vereinbar, die alle anderen früheren Religionen korrigiert und überragt.
Dieses Überlegenheitsgefühl der islamischen Theologie allen anderen Religionen gegenüber führt dazu, dass die „Schriftbesitzer“ der Juden und Christen zwar nicht als Heiden gelten; aber sie stehen im Ruf, den berechtigten Sendungsanspruch Muhammads willentlich abzulehnen und einer minderwertigen Religion anzugehören.
Reden verboten
Rechtlich waren und sind Christen in islamischen Gesellschaften nachgeordnet, benachteiligt, Bürger zweiter Klasse. Ihnen sind höhere Posten in der Armee und dem Staatsdienst, an der Universität und bei den Sicherheitskräften grundsätzlich verwehrt. Dadurch, dass in Ägypten die Religionszugehörigkeit im Pass vermerkt ist, kommt es im Alltag zu vielen Diskriminierungserfahrungen. Dabei geht es nicht nur um Ägypten. Diese mit dem Koran begründete Überlegenheit findet auch Ausdruck in modernen Rechtserklärungen wie etwa der „Kairoer Erklärung für Menschenrechte“ von 1990, die von 57 islamisch geprägten Staaten getragen wird und nur Muslimen volle Menschenrechte zubilligt, die ihr Leben nach der Scharia gestalten.
Die Situation aus koranischer Zeit wirkt bis heute nach. Seit unter Präsident Anwar al-Sadat 1980 die Scharia zur einzigen Gesetzesgrundlage Ägyptens erklärt wurde, drängen islamistische Gruppen immer stärker auf eine gesellschaftliche und rechtliche Islamisierung Ägyptens. Die christlichen Minderheiten werden dabei geduldet und müssen nicht zum Islam konvertieren. Aber sie unterliegen in ihrer Religionsausübung manchen Beschränkungen, beispielsweise, wenn es um die Reparatur ihrer Kirchenbauten geht. Der Staat steckt den Rahmen ihrer religiösen Bewegungsfreiheit ab und kontrolliert dessen Einhaltung. So können aufgrund des strikten Missionsverbots Gespräche von Priestern mit Muslimen schwer geahndet werden.