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Streit im PEN : Maulkörbe

  • -Aktualisiert am

In die Kritik geraten: Journalist und PEN-Präsident Deniz Yücel Bild: dpa

Darf ein PEN-Präsident sich so äußern, wie Deniz Yücel es tut? Seine Meinungen sind nicht der einzige Grund, aus dem manche nun die Abwahl seines gesamten Präsidiums fordern.

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          Deniz Yücel ist derzeit täglich in den Schlagzeilen. Gerade hat er im Prozess um Drohschreiben des „NSU 2.0“, die Rechtsextremisten an Personen des öffent­lichen Lebens geschickt haben, darunter auch fünf an Yücel, ausgesagt – und wurde am Donnerstag von einem Angeklagten im Gerichtssaal bedroht und beschimpft. Ein derart eklatanter Vorgang gegen jemanden, der sagt, er sei Drohungen von deutschen und türkischen Rechtsextremisten gewohnt, und der fast ein Jahr in Einzelhaft in der Türkei verbrachte wegen angeblicher Terrorpropaganda – ein solcher Vorgang nimmt natürlich für Yücel ein, der als Journalist viel riskiert.

          Wofür hat man ihn gewählt?

          Aber Yücel macht auch noch andere Schlagzeilen. Seit ein paar Monaten ist er nicht mehr nur Journalist, sondern auch Präsident des deutschen „PEN“, der Schriftstellervereinigung, die sich für den Schutz von Freiheit und Kultur einsetzt. Als Yücel auf einem Podium der lit.Cologne über den Krieg in der Ukraine sprach, fanden es nicht nur manche befremdlich, wie er bezweifelte, dass „mit der Waffe der Worte“ viel auszurichten sei, sondern sein Plädoyer für eine Flugverbotszone veranlasste fünf ehemalige PEN-Präsidenten, Yücels Rücktritt zu fordern. Er habe die Befugnisse seines Amtes überschritten und gegen die Charta des Internationalen PEN verstoßen. Andere wiederum sprachen sich für Yücel aus. Ob seine Meinungsäußerung nicht oder gerade doch zu den Werten des PEN passt, darüber kann man vielleicht streiten – in der Charta ist vom anzustrebenden Ideal einer in Frieden lebenden Menschheit die Rede. Und nicht zu Unrecht wandten manche ein, dass man den Lautsprecher Yücel doch wohl eben für seine polemische öffentliche Wirkung zum Präsidenten gewählt habe.

          Dass aber in manchen Artikeln der letzten Tage nur seine Äußerung zur Ukraine im Mittelpunkt stand, ist verwunderlich. Denn seit Tagen ist auch bekannt, dass gegen Yücel Vorwürfe eines intriganten, empörenden Umgangs mit PEN-Mitgliedern im Raum stehen, die eine wachsende Zahl von diesen veranlassen, seine Abberufung zu fordern. Diesen Teil der Berichterstattung einfach wegzulassen und sich darauf zu kaprizieren, Yücel solle wegen provokanter Meinungsäußerung ein Maulkorb angelegt werden, scheint journalistisch unredlich, gerade wenn es um einen Enthüllungsjournalisten geht. Dass auch die beschriebenen Vorwürfe des Fehlverhaltens gegen Yücel im Raum stehen, lässt sich aber nicht mehr verschweigen, denn inzwischen berichtet auch die Deutsche Presse-Agentur, dass ein Abwahlantrag gegen das komplette PEN-Präsidium unter Yücels Leitung vorliege, der diesem Mobbing, Beleidigung und „eine tiefgreifende, systemische Störung des Anstands und der Würde unserer Schriftstellervereinigung“ vorwirft. Die PEN-Stelle in Darmstadt wollte sich am Freitag nicht dazu äußern.

          Jan Wiele
          Redakteur im Feuilleton.

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