200 Jahre Städel-Museum : Die virtuelle Kunstparade
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Das Kunstmuseum Städel feiert an diesem Sonntag 200. Geburtstag. Von heute an kann man die Frankfurter Institution auch im Internet besuchen. Die digitale Sammlung geht online. Ein erster Rundgang.
Fangen wir mal mit Yves Kleins Blauem Schwammrelief an. Da gibt es neben den Basisinformationen auch fünf Audiodateien und fünf Videos. Schon ziemlich interessant, was uns Rezipienten da alles erzählt wird: Das reine Pigment, die Beschäftigung Kleins mit esoterischen Schriften, die Farbe ließ er patentieren, das alles im schönsten Tausend-Meisterwerke-Duktus. Also nicht zu kompliziert und nicht zu trivial und keine Angst vor gelegentlicher Fremdwortverwendung. Dann das Ganze auch noch einmal für Kinder, die bekommen aber auch erklärt, was Pigmente eigentlich sind.
Das ist sie also, die neue Digitale Sammlung des Städel-Museums. So ganz kann sie den Museumsbesuch nicht ersetzen, denn es gibt weder Buchladen noch Café noch die Nähe zum Original inklusive Farbaufstrich in Detailansicht. Aber alle Kunstwerke sind in ziemlich hoher Auflösung abgebildet, und die beigestellten Informationen zahlreich. Einige der Videos führen uns auch hinter die Kulissen und zeigen, was man bei einem gewöhnlichen Besuch nicht sieht, die Restauratoren etwa. Damit schlägt die digitale Plattform den klassischen Museumsführer auf Papier um Längen.
Seit zwei Jahren bastelt das Städel zusammen mit der Hochschule Darmstadt, der Software AG und der media transfer AG an dieser Seite. Momentan sind 600 Werke erfasst, was viel klingt – aber noch erstaunlich dünn ist, wenn man erst einmal damit anfängt, seine Lieblinge zu suchen und nicht zu finden (wie, nur ein einziger Paul Klee?). Dazu kommen 490 Audiodateien und über 80 Videos. Bis Jahresende, verspricht das Museum, werden über 1500 Werke aufrufbar sein. Dann hoffentlich auch die Lieblings-Klees „Das Haus zur Distelblüte“ und „Der Blick in das Fruchtland“.
Den Werken beigeordnet werden vor allem Videos aus eigener Produktion, aber nicht nur. Das 3Sat-Magazin „Kulturzeit“ produzierte zum Jubiläumsjahr eine Reihe mit 20 Meisterwerken, auch diese werden später unter den entsprechenden Bildern zu sehen sein. War das Werk schon einmal Teil einer Ausstellung im eigenen Haus, schaffen die Ausstellungsvideos, die schon seit einigen Jahren produziert werden, einen Kontext. So kommt auch der aufwendige Multimediainhalt, der für die Botticelli-Ausstellung entstand, zu neuen Ehren. Und natürlich steht auch Städel-Direktor Max Hollein immer wieder gern im Bild und gibt den Erklärbär. Dass es ohne ihn nicht geht, daran hat sich der langjährige Städelbeobachter ja schon gewöhnt.
Am besten also, man nimmt vor dem nächsten Besuch das Tablet oder den Laptop zur Hand und fläzt sich in einen Sessel, um entspannt durch die Bilder zu flanieren. Wer gezielt sucht, wird weniger glücklich. Am besten geeignet ist die Plattform derzeit vor allem zum ziellosen Stöbern: Was gibt’s denn hier so, von wem ist das gemalt und was ist da eigentlich abgebildet? Und was um Himmels Willen ist eigentlich der Unterschied zwischen „Künstlerbezug“ und „Künstler-Bezug“, also außer dem Bindestrich?
Entlanghangeln kann man sich jedenfalls bestens an den Stichpunkten, nach denen ein Werk verschlagwortet ist. Von Tischbeins „Goethe in der Campagna“ etwa führt der Begriff „Stilrichtung“ uns zu anderen Werken, die unter „Klassizismus“ abgelegt sind. Das Bildelement „Goethe“ führt geradewegs zur Warhol-Version des Gemäldes. Aber auch weniger konkrete Eigenschaften werden den Werken zugeordnet, etwa „Wirkung“, „Stimmung“ oder „Assoziationen“. Von Georg Flegels „Stilleben mit Brot und Zuckerwerk“ etwa führt die Assoziation „Fülle“ zu zahlreichen Darstellungen barocker Festmale mit und ohne Personal, aber auch eine wimmelige Kreuzigungsszene von Adam Elsheimer ist darunter. Eben alles, was den Künstler vor lauter Horror vacui dazu bewog, die Leinwand randlos zu füllen. Und unter dem Wirkungsmerkmal „melancholisch“ findet sich der unvermeidliche Arnold Böcklin ebenso wie ein träumerisch dreinblickender junger Mann von Tizian.
Und natürlich wäre eine digitale Plattform nicht komplett, wenn sie nicht auch diverse soziale Funktionen anböte. Man kann und soll Werke auf Facebook oder Twitter teilen. Großen Erkenntnisgewinn bringt das Herumklicken nicht immer. Aber manchmal reicht es ja auch, wenn es Spaß macht. Oder das Publikum zu einem Besuch des feststofflichen Museums in Frankfurt bewegt. Jedenfalls ist die Exponateplattform bereits jetzt sehr viel ambitionierter als das meiste, was Museen sonst im Netz veranstalten.