Es klingt wie ein Traum vieler Arbeitnehmer: unbegrenzter Urlaub. So viel Auszeit, wie man will. Dieser Traum scheint für leitende Angestellte („Senior Employees“) von Goldman Sachs jetzt in Erfüllung zu gehen: Die Investmentbank hat verkündet, dass Führungskräfte vom 1. Mai an unbegrenzt viele Urlaubstage nehmen dürfen – unter der Bedingung, dass sie ihr Arbeitspensum weiterhin erfüllen. Neu ist die Regelung nicht: Viele Tech-Unternehmen wie Linkedin, Dropbox, Facebook oder Netflix werben ebenfalls damit. Unbegrenzter Urlaub scheint das neue Markenzeichen eines modernen, attraktiven und flexiblen Arbeitgebers geworden zu sein.
Doch die Nachricht stieß nicht nur auf Begeisterung: Warum gelte die Regelung nicht auch für junge Mitarbeiter, fragten manche. Schließlich waren sie es, die im vergangenen Jahr mit Berichten über 100-Stunden-Wochen, Schlafmangel und psychischen Druck für Aufsehen sorgten. Wäre unbegrenzter Urlaub nicht das richtige Mittel dagegen? Wohl kaum, meinen viele Experten. Denn unbegrenzter Urlaubsanspruch hält selten das, was er verspricht.
Zahira Jaser, Assistenzprofessorin an der University of Sussex Business School, und Thomas Roulet, Professor an der University of Cambridge, warnen in einem im Januar veröffentlichten Artikel im „MIT Sloan Management Review“, unbegrenzter Urlaub würde ohne klare Grenzen und Regeln zu noch mehr Druck führen, anstatt, wie eigentlich vorgesehen, Arbeitnehmer psychisch zu entlasten. Durch unbegrenzten Urlaub werde die Verantwortung für das Organisieren der beruflichen Tätigkeit vom Unternehmen auf den Arbeitnehmer abgeschoben. Viele fühlten sich von der völligen Freiheit überfordert. Langfristig sei auch das Risiko eines Burnout groß.
Außerdem warnen die Autoren: Engagierte Mitarbeiter liefen Gefahr, eher weniger Urlaub zu nehmen, häufig sogar weniger Urlaubstage als in einem Standardmodell vorgesehen. Mitarbeiter, die sich ihrem Unternehmen gegenüber weniger verpflichtet fühlen, würden dagegen eher mehr Urlaub nehmen. Damit würde unbegrenzter Urlaub als Belohnung für engagierte Mitarbeiter seinen Zweck verfehlen. Dazu kommt, dass engagierte Mitarbeiter oft gehemmter seien, ihren Urlaub einzufordern. Zu groß seien Schuldgefühle und Gewissensbisse den Kollegen gegenüber.
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