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Europas Rechtspopulisten : Im Kielwasser der Briten

„Und jetzt Frankreich!“ Marine Le Pen meldete sich in der FN-Parteizentrale noch vor Präsident Hollande zu Wort. Bild: AFP

Europas Rechtspopulisten feiern den Ausgang des Referendums. In Paris hofft Marine Le Pen auf Rückenwind für die Wahl. Die österreichische FPÖ fordert eine Entmachtung der EU-Institutionen.

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          Schon wenige Stunden nach der Brexit-Entscheidung der Briten präsentierte Marine Le Pen am Freitag ein neues Wahlplakat. Es zeigt geballte Fäuste, die aus gesprengten Ketten mit EU-Aufschrift hervorragen. „Und jetzt Frankreich!“ steht in dicken Lettern darunter. Die Front-National-Vorsitzende verheißt, dass sich nach Großbritannien auch Frankreich von den Fesseln der EU-Mitgliedschaft befreien werde. „Einen Sieg für die Freiheit“ nennt sie das Referendumsergebnis und beglückwünscht die Briten. Schon ist vergessen, dass der Ukip-Vorsitzende Nigel Farage ihr untersagt hatte, als Kampagnenhelferin auf die Insel zu kommen. Farage hielt die Zustimmung der Französin für „wenig hilfreich“. Bei anderer Gelegenheit sprach er ablehnend vom „Antisemitismus“ als DNA des Front National.

          Jasper von Altenbockum
          Verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik.
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          Die Franzosen würden bald zeigen, dass sie genauso freiheitsliebend wie die Briten seien, behauptete Marine Le Pen. Im Falle eines Wahlsieges im Mai 2017 werde sie sofort ein Referendum über den Verbleib Frankreichs in der EU und in der Eurozone organisieren. Ihr stellvertretender Parteivorsitzender und Vordenker Florian Philippot fordert sogar von Präsident Hollande, „sofort“ ein Referendum in Frankreich zu organisieren. Ende Mai 2005 hatten die Franzosen bereits mehrheitlich eine Vertiefung der EU, wie sie mit dem europäischen Verfassungsvertrag vorgesehen war, abgelehnt. Bei vielen Franzosen entstand hinterher der Eindruck, dass ihr „Non“ im Referendum folgenlos geblieben sei.

          Le Pen: „Ein historischer Augenblick“

          „Ja, es ist möglich, aus der Europäischen Union auszutreten“, bekundete Marine Le Pen deshalb bei einer Pressekonferenz am Parteisitz in Nanterre am Freitagvormittag, noch bevor Präsident François Hollande das Wort ergriffen hatte. Sie zielte dabei vor allem auf ihre Anhänger ab, die in Umfragen immer wieder Zweifel an der Europakompetenz ihrer ansonsten bewunderten Parteichefin geäußert haben. Weder die EU-Mitgliedschaft noch der Euro als gemeinsame Währung seien irreversibel, sagte Le Pen.

          Es sei „ein historischer Augenblick“, dass der scheinbar immer weiter voranschreitende europäische Einigungsprozess nun zum Stillstand gekommen sei. „Hören Sie aufmerksam in den nächsten Tagen den Regierenden zu, Sie werden das wahre Gesicht der EU und seiner Verteidiger sehen“, sagte Le Pen. „Europa ist nicht tot! Nur die EU wankt“, so die 47 Jahre alte Parteichefin. Es bestehe jetzt aber die berechtigte Hoffnung, dass ein „Europa der Nationen“ entstehe. Von den wirtschaftlichen Folgen eines Ausstiegs aus der EU sollten sich auch die Franzosen nicht Bange machen lassen, betonte sie. Als Beispiele nannte sie Norwegen und die Schweiz, denen es auch ohne EU-Mitgliedschaft gutgehe.

          Der FN-Vorsitzenden war deutlich anzumerken, dass sie sich von der Brexit-Entscheidung eine Signalwirkung für die französischen Präsidentenwahlen im nächsten Frühjahr erhofft. Sie betonte: „Europa wird im Mittelpunkt der kommenden Präsidentschaftskampagne stehen.“ Umfragen sagen der FN-Vorsitzenden mit einem Stimmanteil von etwa 30 Prozent einen sicheren Einzug in die entscheidende Stichwahlrunde vorher. Die Idee eines Europareferendums erfreut sich großer Beliebtheit in Frankreich. Inzwischen verspricht auch Präsidentenanwärter Bruno Le Maire (Les Républicains) den Wählern eine Volksbefragung – um sie mit Europa zu versöhnen.

          FPÖ reagiert etwas verhaltener

          Auch die österreichische FPÖ sonnt sich im Erfolg der britischen EU-Gegner. „Wir gratulieren den Briten zu ihrer wiedererlangten Souveränität“, hieß es in einer Mitteilung der rechten Partei. Anders als der Front National verzichteten der FPÖ-Vorsitzende, Heinz-Christian Strache, und der Europaabgeordnete Harald Vilimsky allerdings darauf, ein Austrittsreferendum für Österreich zu fordern. In dieser Nuance unterschieden sie sich schon beim „Klassentreffen“ der europäischen Rechtsparteien vergangene Woche in Wien von der ansonsten hofierten FN-Chefin Marine Le Pen. Nur für den Fall, dass die Reformfreude der EU weiter lahme oder gar die Türkei aufgenommen werde, würde man eine Abstimmung auch in Österreich über den Verbleib in der Union fordern.

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