Mays Devise beim Brexit : Nerven behalten und Zeit gewinnen
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In ihrer Rede im britischen Parlament bittet die Premierministerin um mehr Zeit für Nachbesserungen. Behalte man jetzt die Nerven, seien entscheidende Änderungen beim Brexit-Abkommen möglich. Oppositionsführer Corbyn glaubt Theresa May kein Wort.
Die britische Premierministerin Theresa May hat bei ihrer Rede im Parlament am Dienstag um mehr Zeit für Nachbesserungen ihres Brexit-Abkommens mit Brüssel gebeten. Sie beteuerte, dass die Verhandlungen in einer „entscheidenden Phase“ seien. „Wir müssen jetzt alle die Nerven behalten, um die Änderungen zu erreichen, die dieses Haus verlangt, und den Brexit fristgerecht zu verwirklichen.“
May hat am frühen Nachmittag eine Erklärung im Unterhaus zum Stand der Verhandlungen mit der EU gegeben. Am Donnerstag wollen die Parlamentarier dann über weitere Schritte im Austrittsprozess abstimmen.
May befürwortet zeitlich begrenzten Backstop
Das britische Unterhaus hatte den von May ausgehandelten Austrittsvertrag Mitte Januar klar abgelehnt und Nachbesserungen gefordert. Dabei geht es vor allem um den sogenannten Backstop, mit dem die EU eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern will.
Die Auffanglösung missfällt den Brexit-Hardlinern: Sie befürchten, dass Großbritannien damit auf unabsehbare Zeit an die EU gebunden bliebe. Stattdessen befürworten sie einen zeitlich begrenzten Backstop oder „alternative Vereinbarungen“.
May versicherte den Abgeordneten in ihrer Rede, dass mit den notwendigen Änderungen beim Backstop, einer Stärkung von Arbeitnehmerrechten und des Umweltschutzes sowie einer größeren Rolle des Parlaments in der nächsten Verhandlungsphase ein Abkommen möglich sei, „dass dieses Haus unterstützen kann“. Nach den Worten der Unterhausvorsitzenden Andrea Leadsom will die Premierministerin nicht einfach die Zeit bis zum Brexit-Stichtag am 29. März absitzen. Vielmehr wolle sie „ein bisschen mehr Zeit“ für Verhandlungen, sagte Leadsom dem Rundfunksender BBC.
May berichtete zudem von ihrem Besuch in Belfast. Dass das Unterhaus den bisherigen Austrittsvertrag ablehnte, habe die Menschen in Nordirland höchst verunsichert. Jede weitere Ablehnung eines Deals vergrößere die Gefahr eines vertragslosen Ausscheidens Großbritanniens aus der EU. Es sei daher im nationalen Interesse, dass das Parlament einem Vertragsvorschlag zustimme. Die Premierministerin versprach, bis Ende Februar Fortschritte zu machen, die sie dem Unterhaus zur Abstimmung vorlegen kann.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labor-Partei warf May in einer direkten Reaktion auf ihre Rede vor, auf Zeit zu spielen. Das solle die Abgeordneten dazu bringen, einem mangelhaften Deal im Stile des bereits abgelehnten zuzustimmen: „Jetzt erscheint die Premierministerin vor diesem Haus mit nur mehr Entschuldigungen und Aufschüben.“ Corbyn beklagte, dass alternative Abkommen der EU offenbar nicht präsentiert werden.
London sucht einen Ausweg aus der Sackgasse
Die Tory-Abgeordnete Andrea Leadsom sagte, dass die derzeitigen Gespräche mit der EU „entscheidend, aber heikel“ seien: Es sei kaum vorstellbar, dass sich Brüssel beim Backstop tatsächlich derart kompromisslos zeigen werde, dass Großbritannien ohne ein Abkommen die EU verlassen und genau das eintreten werde, „was sie verhindern wollen“.
In zahlreichen Treffen mit EU-Vertretern versucht die britische Regierung derzeit, doch noch einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Unter anderem reiste Außenminister Jeremy Hunt am Dienstag nach Paris, während Brexit-Minister Stephen Barclay und Mays Stellvertreter David Lidington sich in Straßburg mit EU-Parlamentariern trafen.
Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, hatte am Montag von Großbritannien „Klarheit“ über den Kurs beim Austritt aus der EU gefordert. Am Abend traf sich Barnier dann abermals zu einem Arbeitsessen mit Barclay in Brüssel, um nach eigenen Angaben auszuloten, ob „Änderungen“ an einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen, die den Austrittsvertrag begleitet, Teil einer Lösung sein könnten. Nach dem Abendessen sprach Barnier von einem „konstruktiven“ Treffen. Er betonte aber, dass es keine Änderung am Vertrag selbst geben werde. Nach seinen Angaben werden die Diskussionen in den „kommenden Tagen“ fortgesetzt.