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Kosten des Brexit : Eine saftige Rechnung für London

Eine Haben-Seite gibt es auch. Wenn die Briten für 2019 und 2020 voll in die Strukturfonds einzahlen, kriegen sie natürlich auch ihren vereinbarten Teil heraus. Das sind rund neun Milliarden Euro. Hinzu kommt ihr Anteil am Gesamtvermögen der Europäischen Union. Nach Brüsseler Rechnung sind das etwa 3 von 23 Milliarden Euro. So viel sind Gebäude und Grundstücke wert, die verkauft werden könnten. Zum Beispiel schlägt das Berlaymont-Gebäude, Sitz der Kommission, mit 300 Millionen Euro zu Buche. In London kursieren jedoch viel höhere Zahlen. Eine Studie des Oberhauses taxierte das EU-Vermögen gerade auf gigantische 154 Milliarden Euro. Doch da schütteln die anderen Mitgliedstaaten den Kopf: Es gehe ja nicht darum, die Institution Europäische Union komplett aufzulösen.

Über alle Posten stehen heikle Gespräche mit London bevor. Deren Ausgangspunkt sind unterschiedliche Rechtspositionen, am Ende muss ein politischer Kompromiss her. Oft werden die schwierigen Fragen ganz nach hinten geschoben – diesmal soll es umgekehrt sein. Die Nettoempfänger verlangen Klarheit über ihre geliebten Strukturfonds. Außerdem wollen sie wissen, was nach dem Austritt aus ihren Bürgern im Vereinigten Königreich wird. Dürfen die dort wohnen bleiben? Was ist, wenn sie krank oder arbeitslos werden? Diese Fragen betreffen drei Millionen EU-Bürger auf der Insel und umgekehrt eine Million Briten auf dem Kontinent. Das britische Oberhaus wollte für diese Menschen schon früh ein versöhnliches Signal senden, doch Theresa May verhinderte es Anfang der Woche mit ihrer Mehrheit im Unterhaus.

Plan für den Fall der Fälle

Die britische Regierung möchte erst mal über die leuchtende Zukunft reden, ein Freihandelsabkommen, Sonderrechte für den Binnenmarkt eingeschlossen. Je mehr die Europäer ihr da entgegenkommen, desto großzügiger könnte sie sich bei Austrittskosten und Rechten von Unionsbürgern zeigen. Geben und nehmen. Die Europäer wollen dagegen zuerst den Austritt abwickeln. Wie bei einer Scheidung: Güter trennen, Unterhaltspflichten festlegen. Erst wenn man sich einig ist, soll über die künftige Beziehung und Übergangsfristen gesprochen werden. Eines nach dem anderen.

Wie beide Seiten mit dieser unterschiedlichen Interessenlage umgehen, wird den Ton für alles Weitere setzen. Einer der europäischen Unterhändler baut schon mal vor: Es werde schwere Krisen geben, die erste schon im Herbst. Womöglich seien die Verhandlungen beendet, bevor sie richtig begännen. Er malt aus, wie May plötzlich aufsteht und die Tür hinter sich zuknallt, getrieben von einer europafeindlichen Presse und den Hardlinern in der eigenen Partei. Beim Referendum sei so viel Ideologie im Spiel gewesen, warum solle jetzt nur noch Pragmatismus herrschen, fragt der Mann und beteuert zugleich, dass er auf einen Erfolg hinarbeiten will.

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Auch aus London kommen skeptische Signale. Boris Johnson, Außenminister und Brexit-Hardliner, findet es ganz und gar „unvernünftig“, dass sein Land nach einem Austritt große Geldsummen an Brüssel überweisen soll. Es sei „völlig okay“, ohne einen Deal zu gehen, sagte er gerade. Klar, dann hätte sich die Austrittsrechnung sowieso erledigt. Denn selbst wenn die Europäische Union vor einem internationalen Gericht recht bekäme, wie sollte sie an ihr Geld kommen?

Die Mitgliedstaaten sind schon deshalb daran interessiert, dass die Gespräche nicht entgleisen. Wenn jetzt über Krisen geredet wird, dann auch, damit die Erwartungen nicht zu hoch fliegen. Trotzdem gibt es einen Plan für den Fall der Fälle. Die Kommission hat ihre Generaldirektionen aufgefordert, die Folgen eines ungeregelten Brexits für alle Politikfelder durchzuspielen.

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