Die F.A.Z. im Wandel der Zeit : Eine unwahrscheinliche Erfolgsgeschichte
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Prominenter Glanz und scharfe Auseinandersetzungen
Die Herausgeber spielten gemeinsam mit den Geschäftsführern die erste Geige in der Zeitung, einen Chefredakteur hatte man, wie schon die alte „Frankfurter Zeitung“, nicht. Die fünf, später sechs und heute vier Herausgeber waren für die Gesamtführung der Zeitung kollegial verantwortlich, jeder hatte aber noch speziell die Aufsicht über ein Ressort.
Diese Konstruktion führte bald ein relatives Eigenleben, was einerseits zu einem produktiven Binnenpluralismus ungekannten Ausmaßes führte und damit zu einer großen Attraktivität für unterschiedliche Leserschichten. Der liberale Mittelständler konnte sich ebenso wie der konservative Antikommunist oder der linke Theaterregisseur sein Blättchen (französisch Feuilleton) im Blatt herausfischen. Andererseits führte das natürlich auch zu Friktionen und internen Auseinandersetzungen. Viermal kam es zu Trennungen von Herausgebern.
Die schärfste Auseinandersetzung entstand aber im Gefolge des Historikerstreites von 1986. Dieser war von Jürgen Habermas, der seinen ersten Auftritt 1953 mit einer Heidegger-Kritik in der F.A.Z. gehabt hatte, anlässlich der Thesen des Historikers Ernst Nolte in der „Zeit“ angezettelt worden. Das Gespann von Feuilletonherausgeber Joachim Fest, der gar nicht Noltes Deutung des Holocausts als Reaktion auf den GULag teilte, und Literaturchef Marcel Reich-Ranicki wurde dadurch unwiderruflich zerrissen.
Letzterer dankte es Fest nicht, dass er ihn gegen viele Widerstände ins Haus geholt und seither stets protegiert hatte. Beide, Fest und Reich-Ranicki, hatten seit 1973 Glanz und Prominenz ins Haus gebracht. Nachdem das bis 1966 einseitige Feuilleton lange als Anhängsel gegolten hatte, avancierte die F.A.Z. spätestens jetzt zur maßgeblichen kulturellen Instanz der Bundesrepublik.
Niemals ausschließlich konservativ
Die „Zeitung für Deutschland“ – diesen Untertitel hatte Welter erfunden – sah sich programmatisch der Wiedervereinigung verpflichtet. Als die „kleine“ Wiedervereinigung von Bundesrepublik und DDR dann überraschend auf der Tagesordnung der Weltpolitik stand, begrüßte man im Gegensatz zu vielen anderen westdeutschen Stimmen diesen Prozess. Ökonomisch rentierte sich die Wiedervereinigung allerdings kaum, denn bis auf die „Märkische Allgemeine“ gingen alle von der Ost-CDU übernommenen Zeitungen der ehemaligen DDR bald ein.
Die F.A.Z. hat sich in den siebzig Jahren ihres Bestehens naturgemäß gewandelt. Sie ist luftiger, farbiger, bildreicher, humorvoller geworden. Manche beklagen auch, sie sei weniger konservativ. Eine homogen konservative Zeitung ist sie allerdings zu keinem Zeitpunkt gewesen. Vielmehr brach sie von Beginn an mit der deutschen Staatsfixierung und Kartelltradition im Wirtschaftsleben, sie schloss sich politisch bald vorbehaltlos dem Westen an und öffnete sich auch mit Nachdruck der westlichen kulturellen Moderne.
Sie beherbergte seit den sechziger Jahren auch dezidiert linke oder sich links gerierende Journalisten. Auch diese befleißigten sich aber eines gehobenen Stils und einer Sprachpflege, die brutale Eingriffe in die deutsche Rechtschreibung ablehnte, sei es nach Art der Rechtschreibreform von 1995, sei es in Form des grotesken und die Sprachlogik grob verfehlenden „Genderns“, das, ein echtes Qualitätsmerkmal, bis heute nicht Einzug in die Zeitung gehalten hat.
Bis die F.A.Z. ein Organ der gehobenen Pop- und Rockkritik wurde, dauerte es allerdings etwas. Noch 1965 konnte sich Herausgeber Karl Korn die Ekstase, die „fünf lächerlich unmännlich gekleidete und behaarte Wesen“ hervorriefen, einfach nicht erklären. Diese fünf Wesen nannten sich „Rolling Stones“.